Streit der Woche: Ist Solarstrom überfördert?
Im vergangenen Jahr sind extrem viele Fotovoltaik-Anlagen gebaut worden. Zu viele, sagen Kritiker – und wollen die Förderung kürzen.
Solarenergie ist ein wichtiger Bestandteil des Ökostrommixes, mit dem Deutschland weg von den dreckigen Energien will. Da sind sich im Prinzip alle einig. Doch bei der Förderung des Sonnenstroms gehen die Meinungen weit auseinander. Derzeit melden sich zahlreiche Stimmen zu Wort, denen der Abbau der Förderung nicht schnell genug gehen kann.
Dass die Förderung schrittweise gesenkt wird, war von Anfang an im Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) vorgesehen. Sie galt als Starthilfe für die Zeit, in der die Anlagen noch schweineteuer waren. Rechnet es sich nicht, so die Logik hinter der Förderung, eine Solaranlage auf das eigene Hausdach zu bauen, wird es auch keiner machen. Selbstlosigkeit geht meist nur bis zum Geldbeutel.
Deshalb erhalten die Besitzer von Solaranlagen zusätzliches Geld für den Strom, den sie von ihrem Hausdach oder von einem Solarpark aus ins Netz schicken. Im Jahr 2008 waren das bei Dachanlagen noch fast 50 Cent pro Kilowattstunde, im Januar des jetzigen Jahres ist es mit etwas weniger als 25 Cent nur noch die Hälfte.
Komplettes AKW ersetzen
Also wurde ohnehin bisher fleißig gekürzt. Dass die Diskussion um die Energie aus der Sonne jetzt dennoch wieder hochkocht liegt vor allem daran, dass im letzten Jahr extrem viele Anlagen gebaut wurden. Rund 250.000 Fotovoltaikanlagen sind neu ans Netz gegangen - mit einer Leistung von 7,5 Gigawatt. Mit ihrer Hilfe lässt sich ein komplettes Atomkraftwerk ersetzen: Die Anlagen erzeugen im Durchschnitt eines Jahres mehr Strom als der kürzlich stillgelegte Atomreaktor Philippsburg 1.
Der viele Strom, der aus den neuen Anlagen in das Netz geht, muss jetzt gefördert werden. Die Stromverbraucher merken das an der sogenannten EEG-Umlage. Momentan muss ein Haushalt, der im Jahr 3.500 Kilowattstunden Strom verbraucht eine Umlage von rund 125 Euro pro Jahr bezahlen. Kritiker warnen, mehr Anlagen bedeuteten zwangsläufig höhere Umlagen für die Verbraucher.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) legte jetzt einen eigenen Gesetzentwurf zur Kürzung der Solarstromförderung vor. Das ist deshalb seltsam, weil eigentlich Norbert Röttgen (CDU) als Bundesumweltminister für das Erneuerbare Energien-Gesetz zuständig ist.
Rösler contra Röttgen
Röttgen hatte vergangenen Donnerstag nach einem Treffen mit Vertretern der Solarbranche vorgeschlagen, die Förderkürzungen in Zukunft monatlich anzugleichen, statt wie derzeit jedes halbe Jahr. Maximal sollten nach Röttgens Vorschlag 24 Prozent der Förderung pro Jahr gestrichen werden. Rösler schlägt jetzt hingegen vor, den Bau von Solaranlagen auf jährlich 1.000 Megawatt zu begrenzen und bis zu ein Drittel der Förderung pro Jahr zu streichen.
Vor dem Bundestag sagte Rösler, Fotovoltaik sei die unwirtschaftlichste Form der Ökoenergien. Tatsächlich verbraucht die Solarförderung derzeit rund acht Milliarden Euro pro Jahr. Das ist etwa die Hälfte der gesamten Förderung erneuerbarer Energien. Dabei steuert die Sonnenenergie aber nur rund 20 Prozent des produzierten Ökostroms bei.
Kritiker sagen deshalb, Solarstrom ist nichts für ein Land mit so wenigen Sonnenstunden. Befürworter sagen, da beschwerten sich nur die Großindustriellen, die Angst vor der dezentralen Versorgung der Zukunft haben.
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