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Streit der WocheAbwarten oder eingreifen?

Die Forderung nach einem Militäreinsatz in Syrien wird immer häufiger erhoben. Nahostexperte Erich Gysling glaubt nicht, dass es so kommt.

Einschusslöcher in Taftanaz, einer syrischen Kleinstadt zwischen Idlib und Aleppo. Bild: dapd

Mit Aktionen wie der Ausweisung der Botschafter oder weiteren Sanktionen wird man in Syrien nichts Wesentliches erreichen“, prognostiziert Erich Gysling, Nahostexperte und Präsident des Schweizer Forum Ost-West, im „Streit der Woche“ in der sonntaz. Die einzige Alternative wäre es, „Truppen zu entsenden, die in den Städten die kämpfenden Gruppen voneinander trennen“. Dies erscheint ihm jedoch unrealistisch: „So einen Beschluss wird der Sicherheitsrat nicht fällen, weil Russland ihn blockiert.“

Gyslings Fazit lautet daher: „Von außen kann man also sehr wenig in Syrien erreichen.“ Die einzige Hoffnung, die er noch sieht, ist, „dass plötzlich doch noch die Weisheit siegt, wie in Südafrika, als Weiße und Schwarze erkannten, dass sie mit Kampf nicht weiterkommen. Aber diese Hoffnung ist sehr klein.“

taz.de-Leser Nicolas Kienzler glaubt hingegen, dass die Welt nicht machtlos ist: „Tritt der Westen geschlossen auf, besitzt er politisch, wirtschaftlich und militärisch jedenfalls genug Macht, um eine auf Ausgleich bedachte Lösung herbeizuführen.“ Das Vorbild ist für ihn Libyen - dort „hat die internationale Staatengemeinschaft die Zivilbevölkerung geschützt, geholfen, den Machthaber Muammar al-Gaddafi zu stürzen, und so für Demokratie gesorgt“.

Was verschiedene Personen zur Streitfrage der Woche sagen, lesen Sie in der sonntaz vom 9./10. Juni. An jedem gutsortierten Kiosk, im eKiosk oder im Briefkasten via Wochenendabo.

Kienzler legt dabei besonderen Wert auf die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates: „Ein Militäreinsatz ohne Billigung der beiden Ostmächte Russland und China könnte die Machtspiele verstärken, ein neues Wettrüsten, durch ein Eingreifen der Ostmächte gar einen dritten Weltkrieg einleiten.“ Deutschland komme in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle zu, da es das westliche Land mit den besten Beziehungen zu Russland sei.

„Kein interesse an einer politischen Lösung“

Ferhad Ahma, der Mitglied des syrischen Nationalrats ist und im Exil in Berlin wohnt, zieht folgende Schlüsse aus den Massakern der letzten Wochen und Monate: „Dieses Regime hat überhaupt kein Interesse an einer politischen Lösung, es ist unberechenbar und zu allem fähig.“ Der Sechs-Punkte-Plan des UN-Sondergesandten Kofi Annan sei genauso gescheitert wie die Initiative der Arabischen Liga.

Der Sicherheitsrat müsse eine bindende Resolution beschließen, die auch einen bewaffneten Einsatz nicht ausschließe. Ahma: „Ansonsten wird ein Bürgerkrieg mit verheerenden Konsequenzen ausbrechen, der sich über Syrien hinaus in der Region ausbreiten wird.“ Angesichts der brutalen Gewalt des Regimes dürfe ein Militärschlag nicht weiter ausgeschlossen werden.

Die sonntaz-Frage „Syrien - ist die Welt machtlos?“ diskutiert außerdem Salam Said, Ökonomin, Universitätsdozentin und syrische Aktivistin in Berlin – in der sonntaz vom 9./10. Juni.

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5 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    Der Herr Ahma sollte erst uns aufklären, welche Legitimierung---ausser Selbsternennung (sehr "demokratisch", versteht sich)---der Syrische Nationalrat besitzt. Am 7. Mai fanden Parlamentswahlen in Syrien---mit überraschen hoher Wahlbeteiligung----statt, und Assad konnte eine sehr überzeugende Mehrheit erhalten (viel überzeugendere Mehrheit, wie zum Beispiel W. Kretschmann, der MP in BaWü mit 24,2% (wird jetzt BaWü als "undemokratisch" weggebombt?)), und wurde als rechtsmäßiger Präsident gewählt. Das Ergebnis zeigt deutlich, warum die Opposition keine Wahlen haben, und warum Aggression gegen Syrien initiieren will? Sehr einfach: Die Opposition hat keine Mehrheit (sogar in Homs nicht), und könnte nur mit Unterstützung von Besatzungstruppen regieren. Wie die Kommunisten damals im Ostblock: Es funktionierte nur mit den "freundlichen Panzerdivisionen aus der UdSSR". Das gleiche Spiel wollen jetzt die Exilsyrer mit "freundlichen NATO-Kampfflugzeugen und Bodentruppen" spielen. Natürlich "sehr demokratisch" und "menschenrechtgerecht". In unserem Kultur sind solche Leute als "Hochverräter" benannt.

  • W
    wauz

    Krieg fällt nicht vom Himmel

     

     

    Für Afghanistan und den Irak wurde jahrelang geplant, zum Teil auch provoziert. Was in den Nachrichten wie eine Blitzreaktion aussah, ist nie eine gewesen. Auch in Libyen nicht. Da waren allerdings die USA nicht so stark in die Planung einbezogen. Das war Sache der Engländer und Franzosen. Für Syrien hat keine der drei Mächte einen Plan, weil die Interessen eigentlich nicht da sind. Sprich: da gibt es nichts zu holen, also werden auch keine Mengen an weichem oder hartem Material drangegeben. das bisschen Zivilbevölkerung hin oder her (Kollateralschaden) hat die sowieso nie interessiert. Ein gut verlässlicher Diktator ist doch der besete Handelspartner....

  • S
    strooker

    Man muss bei jedem Einsatz sehr genau abwägen, was das nach sich zieht. In Afghanistan hat der eigentliche Krieg sehr kurz gedauert (drei Wochen meine ich, aber ich bin dankbar für genauere Informationen). Befriedet war das Land damals aber nicht und ist es auch heute nicht (im Prinzip war der Krieg wohl niemals zu Ende). Die Gefahr eines jahrelangen oder vielleicht sogar jahrzehntelangen friedenssichernden Einsatzes ist gegeben.

     

    Und das Deutschland das bitte nicht mitmacht, kann ich nur hoffen.

     

    In Lybien hat Deutschland sich deswegen herausgehalten - so spekuliere ich zumindest, denn wirklich begründet wurde es von der Politik nicht. Auf dem Balkan sind wir jetzt auch bereits sehr lange, die USA mussten sich lange im Irak aufhalten, der Anti-Piraterie-Einsatz vor Somalia ist noch lange nicht beendet. Kurz gesagt: wir schaffen es gar nicht überall friedenssichernde oder Einsätze anderer Art durchzuführen. Und die Lage ist sicherlich immer unübersichtlich, ob die angepeilten Ziele erreicht werden ist unklar. Ein Umdenken und sehr genaues Abwägen erscheint mir erforderlich. Eine breite Unterstützung weltweit und gerade auch in der betroffenen Region ist sehr wünschenswert.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Ich mache eine Gleichsetzung, die ja die Berichterstattung immer benutzt wird:

    Aktivist = der Freiheitskämpfer = der gute Terrorist.

     

    Nun haben wir

    einen Experten = Erich Gysling

    " ...Südafrika, als Weiße und Schwarze erkannten, dass sie mit Kampf nicht weiterkommen .."

    den Charakter eines GlaubensKrieges und ausländischer Täter hat der Experte also nicht erkannt.

     

    einen Terroristen = Ferhad Ahma

    wird ja nicht verfolgt, da es unsere Terrorist ist

     

    eine Terroristin = Salam Said

    wird ja nicht verfolgt, da es unsere Terroristin ist

     

    einen taz.de-Leser = Nicolas Kienzler

    "die Zivilbevölkerung geschützt, geholfen, den Machthaber Muammar al-Gaddafi zu stürzen" , des Lesens wohl nicht mächtig, da die UN-Resolutionen von NATO&Co beliebig gebrochen wurden und Gaddafi nie sein Volk bombardierte ... aber NATO&Co

    Ein Leugner der Wirklichkeit. Gab es da nicht eine Paragraphen ?

     

    Und es fand sich kein Leser, der die syrische Seite darstellen wollte ????

     

    Ich empfehle sehr gute Kost zu diesem Thema, 16 Seiten, ich weiß viel zu viel für taz-Leser, aber die haben es in sich.

     

    http://www.brookings.edu/~/media/research/files/papers/2012/3/15%20syria%20saban/0315_syria_saban.pdf

  • D
    DrWundertsich

    Ich lese überall "sonst wird ein Bürgerkrieg ausbrechen". Ist denn nicht spätestens seit al-Houla offensichtlich das der Bürgerkrieg schon in vollem Gange ist? So stellt es sich mir jedenfalls da. Was ist denn die amtliche Definition von Bürgerkrieg, was muß denn noch passieren?