Streit der Woche: „Waffenhandel muss begrenzt werden“
Deutschland muss weg von Rang drei aller Waffenexporteure, findet Edelgard Bulmahn von der SPD. Georg Adamowitsch von der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sieht's anders.
BERLIN taz | Der Aufwärtstrend ist scheinbar nicht zu brechen. Obwohl Politiker schon seit Jahren versuchen, den Umfang des deutschen Waffenhandels durch strikte Exportrestriktionen zu begrenzen, verdoppelte sich das Handelsvolumen zwischen 2004 und 2009.
„Rüstungsexporte zu begrenzen und zu kontrollieren ist ein unmittelbarer Beitrag zu Friedenssicherung und Konfliktprävention“, schreibt Edelgard Bulmahn, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses für die SPD, in einem Gastbeitrag für das Wochenendmagazin der taz. Doch man müsse zwischen Nato-Staaten und anderen Ländern trennen, stellt die ehemalige Bundesforschungsministerin fest. „Ein generelles Verbot von Rüstungsexporten trägt dieser wichtigten Unterscheidung nicht Rechnung“, sie lehne es deshalb ab.
Für die Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linken, Sevim Dagdelen, ist genau dieser Bezug auf den Staatenverbund des Nordatlantikvertrags problematisch. Sie glaubt, dass durch das Verteidigungsbündnis Waffenlieferungen salonfähig gemacht werden. „Waffenlieferungen sind zu einem wichtigen Instrument der Kriegsführung gerade der Nato-Staaten geworden“, schreibt Dagdelen in der taz.
Dabei sei er Rüstungsexport nur ein Nebenprodukt eigener Aufrüstung. Dagdelen sieht hier einen „Europäischen Rüstungsmarkt als Voraussetzung für eine Europäische Armee“ entstehen. Doch momentan gehen Lieferungen aus Deutschland, dessen Rüstungsindustrie zu 70 Prozent für den Export produziert, auch zu großen Teilen in Länder wie Pakistan, die arabischen Emirate und Singapur. Eine Eindämmung dieser Exporte lasse sich nur durch konsequente, eigene Abrüstung erreichen, so Dagdelen. „Das geht aber kaum mit der Nato-Mitgliedschaft und der EU-Militarisierung.“
Georg Adamowitsch, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, sieht eine solche Argumentation als unsachgemäß an. „Ich halte es mit der Feststellung des Bundespräsidenten, dass militärische Gewalt sinnvoll sein könne, um ihrerseits Gewalt zu überwinden oder zu unterbinden“, schreibt Adamowitsch in der sonntaz. Das erfordere in manchen Situationen auch militärische Einsätze im Rahmen der „europäischen und weltweiten Verantwortung gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern.“ Außerdem werde jeder Export von der Bundesregierung sorgfältig geprüft.
Den kompletten Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 7./8. Juli. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.Und für Fans und Freunde: //www.facebook.com/sonntaz:facebook.com/sonntaz
Kritiker dagegen wenden sich gegen die Intransparenz der Entscheidungsprozesse im Bundessicherheitsrat. Dieser Kabinettsausschuss, dem neben der Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Minister für Inneres, Äußeres und Wirtschaft angehören, zeigte sich im vergangenen Jahr offen, dem Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegemann eine Lieferung von Panzern des Typs Leopard-2 an Saudi-Arabien zu bewilligen. Seitdem wird darüber gestritten, wie ein solcher Deal mit einem Regime zu rechtfertigen sei, das der Regierung im benachbarten Bahrain half, die innere Demokratiebewegung niederzuschlagen.
Exportverbot durchs Grundgesetz
„Ungebrochen werden willfährige Diktaturen mit deutschen Waffen und Lizenzen zu deren Nachbau stabilisiert und an der Macht gehalten“, schreibt Jürgen Grässlin in der sonntaz. Der Träger des Aachener Friedenspreises engagiert sich momentan als Sprecher der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ für ein Exportverbot im Grundgesetz.
Das ist auch das Ziel von Christine Hoffmann, Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung pax christi: Schließlich beschreibe das Grundgesetz den gesellschaftlichen Konsens. „Deshalb muss dort klargestellt werden, dass Rüstungsexporte grundsätzlich verboten sind“, schreibt Hoffmann in der sonntaz.
Die sonntaz-Frage Rüstungsexporte stoppen? diskutieren außerdem Hüseyin Inan, freier Journalist aus Nordkurdistan und Uwe Roos, psychologischer Berater und Journalist, der die Frage auf der Facebook-Seite der taz kommentiert hat – in der sonntaz vom 7./8. Juli. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist