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Streit der Woche zum Dresdner Handygate"Mehr Kontrolle ist nötig"

Nach der Spähaktion der sächsischen Polizei will die Linke mehr Kontrollmöglichkeiten. Eine Polizeigewerkschaft wehrt sich gegen solcherlei "skurrilen Unfug".

Diese Polizisten müssten erkennbar Nummer oder Name tragen, fordern einige.

Als Konsequenz aus dem Datenskandal in Dresden fordert die Linke eine stärkere Kontrolle der Polizei. "Das skandalöse Vorgehen der Dresdner Polizei gegen Menschen, die sich am 19. Februar 2011 an Anti-Nazi-Aktivitäten beteiligten, ist der beste Beweis dafür, dass mehr Kontrolle nötig ist", schreibt die Bundesgeschäftsführerin und Bundestagsabgeordnete Caren Lay im Streit der Woche in der aktuellen sonntaz. Lay hatte an der Demonstration in Dresden teilgenommen, bei der die Polizei auch Handydaten von Anwohnern, Politikern und Journalisten ausspähte. Lay fordert nun eine unabhängige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft wendet sich entschieden gegen mehr Überwachung der eigenen Aktivitäten. "Am Ende stehen mehr Bürokratie, geringere Effektivität der Polizeiarbeit und skurriler Unfug wie Namensschilder oder Nummern auf Polizeiuniformen", schreibt der Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, in der sonntaz. Die Polizei sei in Deutschland vom überwältigenden Vertrauen der Bevölkerung getragen: "Das sollten die Möchtegern-Kontrolleure erst einmal erreichen." Die bestehende Kontrolle hält er für ausreichend: "Keine staatliche Verwaltung ist mit einer solchen Fülle von Vorschriften und Kontrollen konfrontiert wie die Polizei."

Die Bürgerrechtlerin Freya Klier fordert nach dem Skandal konkrete Konsequenzen: "Wenn die Polizei aber ihre Grenzen überschreitet, wie gerade in Dresden, braucht es dringend einen Untersuchungsausschuss, der sich mit diesem Machtmissbrauch befasst!" Ansonsten habe sie Respekt vor der Arbeit der Polizisten, etwa bei den Anti-Atom-Protesten in Gorleben: "Sie mussten viele schwere Menschen wegtragen - dabei waren sie oft selbst gegen Atomkraft." Grundsätzlich hält sie mehr Kontrollen nicht für nötig: "Dann ist man ja auf dem gleichen Kontrollwahn-Niveau wie die sächsische Polizei."

Martin Herrnkind ist Kriminologe und recherchiert für Amnesty International für Strafdaten der Polizei. Er gibt zu Bedenken, dass die Kontrolle der Polizei nur auf dem Papier perfekt geregelt sei und fordert unabhängige Untersuchungsgremien und eine Kennzeichnungspflicht für uniformierte Beamte: "Schlugen Polizisten zu – im Schutze der Anonymität ihrer Einheiten nicht identifizierbar, weil sie Helme trugen –, verzichteten Kollegen auf Vernehmungen der Verdächtigen und stellten keine weiteren Ermittlungen an. Beweise wurden nicht gesichert. Oder Kollegen derselben Behörde ermittelten"

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche und weitere interessante Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 2./3. Juli 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Im Streit der Woche schreiben außerdem Constanze Kurz, die als Datenschutzexpertin in einer Enquete-Kommission des Bundestags sitzt, der Musiker Konstantin Wecker, der ehemalige bayerische Ministerpräsident und Innenminister Günther Beckstein sowie taz.de-Leser Tobias Hilbert.

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16 Kommentare

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  • M
    menschenfreund

    …“Die Deutsche Polizeigewerkschaft wendet sich entschieden gegen mehr Überwachung der eigenen Aktivitäten. "Am Ende stehen mehr Bürokratie, geringere Effektivität der Polizeiarbeit und skurriler Unfug wie Namensschilder oder Nummern auf Polizeiuniformen", schreibt der Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, in der sonntaz. Die Polizei sei in Deutschland vom überwältigenden Vertrauen der Bevölkerung getragen: "Das sollten die Möchtegern-Kontrolleure erst einmal erreichen.“…

    Meine Meinung: Das ist starker Tobak, das muß man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: vollmundig – manche würden auch „großmäulig“ dazu sagen. Angesichts dieser unsäglichen „Leistung“, die sehr bedenklich bis rechtswidrig ist, erkennt man einen exorbitanten Mangel an Selbstkritikfähigkeit und realistischer Selbsteinschätzung. Noch schlimmer ist, daß man sich offenbar nicht klar ist, daß der Souverän, d.h. das Volk, vertreten durch die Volksvertreter bestimmt, u.a. auch, was mit und bei der Polizei geschieht.

    Die Polizei hat mit „Handygate“ eindeutig ihre Kompetenzen bei weitem überschritten, die Forderung nach Verhältnismäßigkeit polizeilichen Handelns ad absurdum geführt. Das steht fest.

    Das sind Rechtsverstöße, die Ahndung verlangen, aber keine Bauernopfer.

    Die logische Folge: wenn etwas nicht funktioniert (nicht nur bei der Polizei), bedarf es intensivierter Kontrolle und Überprüfung der Fachkompetenz.

    Diese Forderung ist trotz der allzu häufig grottenschlechten Rechtsvorschriften und deren schriftlicher Umsetzung selbstverständlich. Wer das ablehnt, muß sich nach seiner Kompetenz befragen lassen.

    „Skurriler Unfug“ nennt man Namensschilder und/oder Nummern an Polizeiuniformen. Bei der Polizei kennt man nur zu genau die vielen demokratischen Staaten, in denen dies seit erfolgreich – übrigens auch zum Schutz der Polizisten – praktiziert wird.

    Hinter die Aussagen, daß die Polizei in Deutschland von überwältigendem Vertrauen getragen sei, mache ich gleich eine ganze Reihe von Fragezeichen. Es soll nämlich auch sehr viele Leute geben die sagen, daß man mit dem halt zurechtfinden sein muß, was man hat – eine bessere Alternative gibt’s halt nicht. Auch so wird ein Schuh draus, also, verehrter Herr Wendt, an die Arbeit!

  • TK
    Th. Koch

    Wenn Herr Wendt Maßnahmen für "skurrilen Unfug" hält, steht fest, dass man alles richtig gemacht hat.

  • S
    swilly

    "Am Ende stehen mehr Bürokratie, geringere Effektivität der Polizeiarbeit und skurriler Unfug wie Namensschilder oder Nummern auf Polizeiuniformen", schreibt der Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, in der sonntaz."

     

    Ach, Herr Wendt, wie lautet die Standardphrase der Überwachungsfetischisten?

     

    Wer nichts zu vergergen hat, braucht auch nichts zu befürchten.

     

    Hat die Polizei etwa etwas zu verbergen? Oder warum tönen sie von skurilem Unfug, wenn es um die Kennzeichnung und Überwachung der Vetreter des Staates bei ihrer Arbeit geht?

  • V
    Vorp

    Geringere Effektivität wär doch ein Pluspunkt!

  • N
    nogo

    Who watches the Watchmen?

     

    Das ist eine der entscheidende Fragen, die zur Sicherung unserer freiheitlichen Grundordnung beitragen.

     

    Es reicht nicht aus, dass die Polizei von sich selbst kontrolliert wird, oder von denen, die ihnen solche fragwürdigen Einsätze befehlen.

  • AK
    Arnd Klinkhart

    "Keine staatliche Verwaltung ist mit einer solchen Fülle von Vorschriften und Kontrollen konfrontiert wie die Polizei." .. Und keine staatliche Stelle setzt sich so dermassen über Vorschriften hinweg und entzieht sich der öffentlichen Kontrolle, wie die Polizei. Und glauben Sie mal, lieber Herr Polizeigewerkschafter, dass die Bewegung zur Kontrolle der Polizei sehr wohl von einer breiten der Öffentlichkeit getragen wird. Auf jeden Fall mehr, als prügelnde BF-Einheiten et al.

  • HS
    H.G.E. Schulz

    Ein Polizist der sich unkenntlich macht, sollte eine Nummer tragen, er zeigt damit Vertrauen in sein eigenes Können.

    Aber es wird jungen Kollegen gleich beigebracht, vertraue außerhalb bloß niemanden.Unn wenn denn mal was ist wird gleich gesagt, "siehste hab ich dir das nicht gleich gesagt", und nicht: "das hätte der oder die so auch nicht tun dürfen".Das wichtigste ist Maul halten -immer.

  • H
    Hans

    Es heißt immer, es seine auch Politikern und Journalisten ausgespäht worden. Wurden nicht auch Anwälte, Ärzte und Seelsorger ausgespäht? Da ich nicht wissen kann, wo sich mein Arzt, Anwalt oder Seelsorger gerade aufhält und ob dort gerade ein Anlass gefunden wurde Bürger massenhaft auszuspionieren, kann ich nicht einmal mehr Kontakt mit Personen aufnehmen, die eine Schweigepflicht unterliegen.

  • ED
    eins drei eins zwo

    Ich hoffe mal das der Herr Rainer Wendt und alle anderen, die gegen eine Kennzeichnungspflicht von Polizisten sind, mal was diesen Herren und wenigen Frauen auf die Waffel kriegen und dann versuchen diese Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich wette, sie werden es nicht schaffen. Als ob eine Nummer auf der Uniform jemanden wehtun würde. Da schwingt viel mehr die Angst mit auch für die dann begangenen Straftaten zur Verantwortungen gezogen zu werden. Wir leben in einer wirklichen tollen Gesellschaft...

     

    und ansonsten passen einige Zeilen des folgenden Liedes:

    http://www.youtube.com/watch?v=7v-ynUfcHd0&feature=related

  • A
    alcibiades

    Was haben taz und junge freiheit gemeinsam: richtig, Rainer Wendt wird dauernd gefragt.

     

    Es gibt mehrere Polizeigewerkschaften; nur weil Herr Wendt immer gleich kräht, muss man doch nicht so einseitig berichten! Was ist mit der Meinung der bgv, des BDK und der GdP (letztere hat doppelt so viele Mitglieder wie Wendts DPolG!)

     

    Rainer Wendt findet Namensschilder für Polizisten "skurril" und Wasserwerfer müssen "weh tun" - weshalb darf dieser skurrile Hardliner als einziger für die Seite der Polizisten sprechen? Das ist eigentlich ganz schön unfair den Polizisten gegenüber. (Aua, das fiel mir jetzt etwas schwer.)

     

    Ihr wisst schon, was ich meine.

  • J
    jhw

    Herr Wendt, ich weiss ja nicht welche Medikamente so verabreicht werden, aber wenn das ihre Kernaussage ist:

    "Am Ende stehen mehr Bürokratie, geringere Effektivität der Polizeiarbeit und skurriler Unfug wie Namensschilder oder Nummern auf Polizeiuniformen", schreibt der Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, in der sonntaz. Die Polizei sei in Deutschland vom überwältigenden Vertrauen der Bevölkerung getragen: "Das sollten die Möchtegern-Kontrolleure erst einmal erreichen."

    dann hoffe ich auf eine baldige Neueinstellung der Medikamente durch den behandelnden Arzt. Identifikationsnummern bei pruegelnden Polizisten sind also skuriller Unfug? Ueberwaltigendes Vertrauen der Bevoelkerung? Moechtegern-Kontrolleure? Und somit schafft man es zum Bundesvorsitzenden, ja? Herzlichen Glueckwunsch!

  • OB
    Otto Bronnert

    Natürlich wollen sich die Herrschaften nicht überprüfen lassen. Dann könnten Fehlverhalten von Polizeibeamten ja nicht möglichst vertuscht werden. Und die Politiker der Union, sie stellen sich als Claqueure an den Rand und befürworten diese Polizeistaatsmethoden, statt sich zu entschuldigen. Mir wird Angst und Bange wenn ich an solche furchtbaren Politiker denke. Denn sie würden wie Jung ja auch mal ein Passagierflugzeug abschießen lassen, wenn sich ein Terrorangriff vermuten läßt.

    Na Ja warum sollte man sich über solche christlichen Politiker wundern, wenn doch ein amtierender Kardinal(der in Köln die Abtreibung mit Hitlers umtrieben vergleicht.

    Dem müßte eine Anklage drohen, stattdessen darf die altersstarre Mensch so vom Leder ziehen.

  • AR
    Andreas R.

    Ich weiß ja nicht was an einer Nummer zur eindeutigen Identifizierung von Polizeibeamten skurriler Unfug sein soll. Ich finde die Verweigerung einer solchen Identifizierungsmöglichkeit skurrilen Unfug. Die Aussagen der Polizeigewerkschaft halte ich schlicht für eine Frechheit.

    Ich bin auch für die Einführung von ganz empfindlichen Strafen, wenn sich Strafverfolgungsbehörden einfach mal so, wie zum Beispiel in Dresden oder Heiligendamm, über geltendes Recht hinwegsetzen. Immerhin handelt es sich hier teilweise ja um Verstöße gegen das Grundgesetz.

  • V
    verstand

    -Die Deutsche Polizeigewerkschaft wendet sich entschieden gegen mehr Überwachung der eigenen Aktivitäten. "Am Ende stehen mehr Bürokratie, geringere Effektivität der Polizeiarbeit und skurriler Unfug wie Namensschilder oder Nummern auf Polizeiuniformen", schreibt der Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, in der sonntaz. Die Polizei sei in Deutschland vom überwältigenden Vertrauen der Bevölkerung getragen: "Das sollten die Möchtegern-Kontrolleure erst einmal erreichen."-

     

    Was für eine vermessene Aussage! Unfug wie Namensschiilder oder Nummern auf der Uniform ?!

    Ich frage mich allen ernstes wie dieser Mensch auf die

    sehr schmale Idee das als Unfug zu bezeichnen...?!

    Ich sehe hier dringenden Handlungsbedarf, die Polizei darf nicht zu einer "gesichtslosen" Truppe mutieren die letzten endes auch noch gegen sich selbst ermittelt! bzw. gegen sich selbst ermitteln soll...

  • F
    Frank

    Kontrolle setzt den Gegenstand der Kritik, die technischen Einrichtungen zur Überwachung der Bevölkerung, voraus.

     

    Wenn man die Technik beseitigt, dem Zugriff der Polizei entzieht, kann man sich die Kontrolle sparen.

  • H
    Heiko

    Mich würde dringend interessieren ob bei der Übwachung auch Verbindungsdaten und Gespräche von Geheimnisträgern ausgespäht wurden wie Ärzte, Rechtsanwälte, Heilpraktiker etc.