Streit der Woche mit Audioreportage: Kann man ohne Sex gut leben?
Bald ist Valentinstag. Aber es gibt immer weniger Pärchen und mehr Singles. Die haben deutlich weniger Sex, entgegen allen Abenteuermythen.
Laut Statistischem Bundesamt wächst die Zahl der Alleinstehenden jedes Jahr um eine halbe Million. Sie haben nach Feierabend keine festgelegte Rolle, sondern können ihre Freizeit bewusst selbst gestalten. Sie können also, theoretisch, auch über ihren Nicht-allein-Sex spontan und frei entscheiden. Aber entgegen diesen Vermutungen haben in Partnerschaft lebende Menschen in der Regel mehr Sex als Singles zwischen 20 und 30.
Eine Mehrheit der Deutschen findet Sex für ein erfülltes Leben wichtig. Das zeigen Umfragen immer wieder. So sieht es auch Frank, 51, der den Berliner KitkatClub besucht. Es ist eine Diskothek mit Darkroom. Kopulieren können die Gäste überall, auch auf der Tanzfläche. Frank will sich dort richtig auspowern. Bei seinem letzten Besuch, sagt er, hatte er zwölf Orgasmen in sieben Stunden. "Wenn ich hier morgens rauskomme, fehlt mir nichts mehr."
Wir haben ihn und andere Gäste in diesem Club für ein sonntaz-Hörstück befragt. Auch viele andere Gäste sind der Meinung: Ohne Sex stirbt man innerlich. Aber ist es nicht auch ein gesellschaftliches Dogma, dass man ein erfülltes, spaßiges Sexualleben haben muss? Dass man lieber tot umfällt, als zuzugeben, dass man keinen Sex hat? Ist Sex zu haben der Ausdruck grenzenloser Leistungsfähigkeit im 21. Jahrhundert? Und geht es also Männern und Frauen besser, die sich diesem gesellschaftlichen Normdenken widersetzen?
Unter den Gästen im Kitkatclub sagen viele offen, dass sie auf Sex verzichten. Bewusst. Warum? Sandra L., 23, glaubt, dass sie ganz anders wahrgenommen wird, seitdem sie keinen Sex mehr hat. "Die anderen sind halt drauf fixiert, ich aber nicht. Ich bin ihnen somit voraus."
Aber nicht nur die Singles, auch Pärchen verzichten auf Sex. Mona, 27, hatte mit ihrem letzten Partner zwei Jahre lang keinen Sex. "Fremdgehen war auch nicht drin, also haben wir das Ficken sein gelassen. Ick find ditt okay."
Was Wissenschaftlerinnen, Geistliche und Prominente zu der Streitfrage sagen, lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. Februar. Zusammen mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: http://bit.ly/ehbqz6per Wochenendabo.
Institutionalisiert haben diese Sichtweise etwa die Mitglieder des "Asexual Visibility and Education Network". Asexuelle machen Schätzungen zufolge etwa drei Prozent unserer Bevölkerung aus. Sie glauben, dass Sex nicht die einzige Möglichkeit ist, Nähe in einer Beziehung auszudrücken. Mit dem Zölibat habe das nichts zu tun, argumentieren Asexuelle.
Der unfreiwillige Verzicht dagegen, wie ihn die katholische Kirche fordert, gerät in diesen Tage in die Kritik. 144 katholische Theologieprofessoren haben sich in der vergangenen Woche in einer Reformschrift für die Abschaffung des Pflichtzölibats ausgesprochen.
Mike aus Amerika wertet den Verzicht positiv. Er erinnert sich an seine letzte zweimonatige sexfreie Phase. Er habe in dieser Zeit einfach mehr wahrgenommen: Gutes Essen, interessante Leute, tiefe Meditationen – auch wenn es am Anfang hart gewesen sei.
Was meinen Sie: Kann man ohne Sex gut leben?
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