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Streit der Woche mit Audioreportage"Als Priester empfinde ich wie ein Mann"

Ein katholischer Pfarrer erzählt, wie schmerzhaft der Verzicht auf Sex sein kann. Martin Goldstein, der erste Dr. Sommer der Bravo, kritisiert den Gesellschaftszwang zum Koitus.

Muss das Zölibat abgeschafft werden? Theologen fordern das jetzt. Bild: dapd

Als Dr. Sommer hat Martin Goldstein 25 Jahre lang Teenager zum Thema Sex beraten. Heute hat der 83-jährige Prostatakrebs. Seine Potenz, sagt er, gehe gegen Null. "Wenn ich unter Sex nur den Koitus verstehen würde, mit Glied und Scheide, müsste ich ohne leben. Da ich aber ein Ganzkörperliebhaber bin, der mit Haut, Haaren und Händen liebt, bringe ich immer noch eine Masse Libido unter", schreibt Goldstein im Streit der Woche in der sonntaz. Für ihn ist Schmusen keine Ersatzhandlung, sondern hat einen Wert für sich.

Ein Leben völlig ohne Sexualität führt hingegen Frank Dahlke. "Ich vermisse Sex nicht. Auf Körperliche Beziehungen bin ich nicht aus", schreibt der 43-Jährige. Frank Dahlke bezeichnet sich als asexuell, er gründete das Asexuelle Radio Berlin und praktiziert einen sehr offenen Umgang mit seinem nicht vorhandenen sexuellen Verlangen. Die Menschen reagierten jedoch sehr unterschiedlich. "Manche Arbeitskollegen auf dem Bau halten mich für schwul, weil ich mich nicht für die Bildchen auf Seite eins begeistere", schreibt Dahlke.

Dagegen ist die Buchautorin Renate Wichers überzeugt, dass zum Leben ein Partner gehört, mit dem man auch Sex hat. In ihrem Buch "Nie wieder Sex" spricht sie mit Menschen, die ohne Sex Leben. Ihrer Ansicht nach lebe keiner wirklich gut damit. "Nichts ist heute so sehr ein Tabu, wie zuzugeben, dass man keinen Sex hat", schreibt die Autorin. Außerdem entspreche Sex, wie er in den Medien dargestellt werde, nicht dem, was zwischen zwei Menschen tatsächlich ablaufe. "Nirgendwo wird so viel gelogen, wie beim Thema Sex", schreibt Wichers und beobachtet, dass die Erwartungen in unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft auch beim Sex immer höher geschraubt werden. "Sex nur um des Sexes willen, finde ich armselig und würdelos", stellt sie fest.

Nach der jüngsten Forderung von weit mehr als 100 katholischen Theologen, das Zölibat abzuschaffen, hält es auch der katholische Priester Justinus Reich für äußerst schwer, ohne Sex zu leben. "Der Mensch ist als sexuelles Wesen von Gott erschaffen", schreibt er. Das Zölibat bezeichnet Reich als "Verzicht, Askese, gesellschaftliche Normabweichung und soziale Provokation." Der Mensch sei auf ein Gegenüber angelegt. Wie der Religionsphilosoph Buber formuliere, werde der Mensch nur ,am "Du zum Ich". Er werde am "Du zum Ich", indem er Kinder zur Welt bringe, indem er Nähe und Sicherheit bekomme und indem er Lust bereite und selbst genieße. Sehenden Auges die Fortpflanzungs- und Lustdimension zu ignorieren, sei "so gegen den Strich aller (spieß)bürgerlichen Plausibilität gebürstet, dass es zwangsläufig Widerstand hervorruft."

Für Reichs Kollegen Meik Schirpenbach aus dem Erzbistum Köln, kann der Verzicht auf Sex schmerzhaft sein. "Auch als katholischer Priester empfinde ich als Mann, und Nähe ist mir wichtig", schreibt der 39-Jährige. Er versteht seinen Verzicht als gelebte Solidarität mit Menschen, die ihre Sexualität nicht in einem umfassenden Sinne glücklich ausleben können. Diese Solidarität macht ihn empfindsam und ermöglicht ihm Nähe. "Ohne die Bereitschaft verletzbar zu sein, ist keine Nähe zu haben", schreibt Schirpenbach.

Bild: taz

Den kompletten Streit der Woche und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 12./13. Februar 2011. Jetzt mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.

Im Streit der Woche äußern sich außerdem Martin Fensch vom Viagrahersteller Pfizer, die Urologin Sigrid Tapken und die Paartherapeutin Katja Sundermeier.

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6 Kommentare

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  • Z
    Zwangbefreiter

    @Psychater: Wer sowas behauptet hat irgendwie die Evolution verpasst.Die hat nämlich die soziale Struktur entwickelt und bei fortgeschrittenen Spezies

    sieht die Familie ziehmlich sozial aus.Die Hochkultur hat dann noch durch Arbeitsteilung die Rollenbilder scharfgezeichnet, die sich mittlerweile im Wandel befinden, zu mehr Gleichberechtigung.

    Wer irgend einer ein Kukuksei ins Nest legt, der schafft Einelternfamilien und dessen Kinder brauchen dann vielleicht eher einen Psychater.

  • Z
    Zwangbefreiter

    Als Priester würde ich mir jedenfalls Beziehung und Sex nicht verbieten lassen, ich bin doch mündig und muß mir die

    Moral nicht vorkauen lassen.Es steht geschrieben männlich und weiblich erschuf er sie und sie werden ein Fleisch werden, wenn er das will, wer will es ihm verbieten? Gott?

    Nach der Abkoppelung des Sexes von der Beziehung durch Pornographie und den extremen Modeerscheinungen

    auch der jetzigen postsexuellen Revolution, tritt anscheinend die Beziehung völlig in den Hintergrund.

    Man stürzt sich kopfüber in ein emotionales Chaos und sucht den schnellen Kick, konsumiert den Sex wie Fastfood.ONS ist dafür ein Beispiel.Die Sexindustrie macht fleißig mit möglichst viel gesellschaftlichen Müll zu produzieren, statt sich mal an den Bedürfnissen der Verbraucher zu orientieren und Beziehung oder auch Ehe in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es da Produkte und Service?

    Es geht dabei nicht um den guten Geschmack, wie einige opportune Moralapostel angeben.Es geht dabei darum seine Menschlichkeit nicht zu verlieren, immer darauf zu achten den Menschen aufzuwerten, nicht abzuwerten, auch bei sexuellen Praktiken.

    Guter Sex meine ich ist auch eine Kopfsache, dazu aber muß man sich genau kennen, erst dann weiß man wie der andere tickt.Wenn man viele Gemeinsamkeiten entwickelt hat, dann kann man dafür auch Vertrauen aufbauen um sich öffnen zu können.Wer kein Mitgefühl hat weiß auch nicht was der andere fühlt und man braucht Verständnis um sich in den anderen hineinversetzen zu können, dann erlebt man Sex wirklich gemeinsam.

    Mit Sexfood stopft man nur was in sich hinein und bleibt doch irgendwie immer hungrig, und warum? Weil der Sex nicht in der Beziehung wieder ausklingt und deren Wärme nicht da ist.Das sollte man den Jugendlichen "sagen", damit sie nicht so dumm sind und die selben Fehler machen wie wir.

  • H
    Hermann

    Meines Wissens heißt es : Der Zölibat.

     

    Das Zölibad ist in Münster/W eine Badeanstalt für Theologiestudenten.

  • H
    Hansi

    "Er versteht seinen Verzicht als gelebte Solidarität mit Menschen, die ihre Sexualität nicht in einem umfassenden Sinne glücklich ausleben können."

     

    Das ist doch perfekt christlich: Leiden um vermeintlich Probleme zu lösen. Jesus starb angeblich um die sogenannten Sünden der Menschen abzulösen und dieser Priester leidet aus "Solidarität". Das hat keine Logik und hilft niemandem, aber es passt zu dieser absurden Religion.

  • P
    Psychater

    Die These zum Leben gehört ein Partner ist in anbetracht der Realität lächerlich macht euch mal über die demographische Daten über Geburtstatistiken schlau.

    Männer und Fraue werden in einem Verhältnis von ca. 1.05:1.0 geboren welche sich erst durch eine Lebenstil bedingte höhere mortalität ausgleicht. Vielleicht sollte die zittierte frau ein bischen auf den Wahrheitsgehalt ihrer Menschenverachtenden Thesen achten... Viele von uns sind auf Prostitution angewiesen um überhaupt körperliche Nähe zu erfahren...

  • V
    vic

    Augen auf bei der Berufswahl!