Streiks: Neue Rechte für Chinas Arbeiter
Wiederholte Streiks und Sklavenarbeit setzen Peking unter Druck. Nun hat die Regierung das lange geplante neue Arbeitsgesetz endlich verabschiedet.
PEKING taz Früher waren es Hongkonger Menschenrechtsorganisationen, die über Streiks in China berichteten. Am Montag waren es staatlich zensierte Medien, vorweg das Provinzblatt Chongqing Chenbao, die einen neuen Arbeitsskandal in der chinesischen Provinz Guangdong ausgruben. Eine bezahlte Schlägerbande hatte dort 300 streikende Wanderarbeiter an der Baustelle eines Wasserkraftwerks verprügelt. Einer von ihnen wurde angeblich lebensgefährlich verletzt. Dabei hatten die Bauarbeiter nur ihren Lohn gefordert, den sie vier Monate lang nicht erhalten hatten
Bereits vor einigen Wochen hatten staatliche Medien enthüllt, dass es in tausenden Ziegelfabriken der Provinz Shanxi Sklavenarbeit gibt. Seither hat die Polizei dort 600 Arbeiter befreit, darunter viele Kinder. Fernsehbilder von den misshandelten Kindersklaven lösten landesweites Entsetzen aus.
Die verstärkte Aufklärung über illegale Arbeitsverhältnisse ist von der Pekinger Regierung gewollt. Die Schlagzeilen begleiten die Einführung eines Arbeitsgesetzes, das der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses jetzt verabschiedet hat. Es tritt am Jahresanfang 2008 in Kraft. Erstmals seit Beginn ihrer Öffnungspolitik vor 30 Jahren verspricht die KP darin allen Beschäftigten gleiche Rechte. Bisher genossen nur Stadtbewohner Arbeitsrechte, während die Mehrheit der Landbevölkerung vertragslos als Tagelöhner beschäftigt werden konnte.
Nun werden alle Arbeitgeber verpflichtet, ihren Angestellten unabhängig von ihrer Herkunft Arbeitsverträge auszuhändigen. Zeitverträge dürfen nur dreimal befristet verlängert werden, bisher war das unbegrenzt möglich. Wer bereits zehn Jahre beschäftigt ist, bekommt automatisch einen unbefristeten Vertrag. Vor jeder Entlassung muss der Arbeitgeber die offizielle staatliche Gewerkschaft konsultieren, der das Gesetz breite, neue Kompetenzen zuspricht. So besitzt die Gewerkschaft ab Januar mehr Rechte, kollektive Lohnverhandlungen zu führen.
Das neue Gesetz gehört zur neuen Sozialpolitik der KP, die vor dem Hintergrund wachsender Einkommensunterschiede von der reinen Marktlehre ihrer bisherigen Reformpolitik abrückt und stärker auf Umverteilung des Wohlstands setzt.
Natürlich ist fraglich, was das Gesetz real bringt. Routinemäßig wird vielen Arbeitern der gesetzliche Mindestlohn nicht ausgezahlt, herrschen für Wanderarbeiter vielerorts illegale Arbeitsbedingungen, die von korrupten Kadern gedeckt werden.
Allerdings hat die KP auch noch nie eine solche Offensive für ein besseres Arbeitsrecht gestartet. "Die große Mehrheit der Arbeiter erhält erstmals einen umfassenden Rechtsschutz", sagte die Arbeitsrechtlerin Qiu Jie von der Pekinger Volksuniversität.
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