Streik in Brasilien: Ein Rio mit vier Fegern
In der zweitgrößten Stadt Brasiliens streiken seit Samstag die Stadtreiniger. Nicht mal der Dreck des Karnevals ist weg. Und das im WM-Jahr.
RIO DE JANEIRO taz | Das Besondere an diesem Karneval in Rio waren die Müllberge. Wie jedes Jahr waren Millionen auf den Straßen und tanzten fröhlich auf unzähligen Umzügen. Im Sambódromo defilierten die Sambaschulen, bejubelt von den Zehntausenden, die sich die gesalzenen Eintrittspreise leisten können. Dort war die Piste nach dem Durchmarsch jeder Schule picobello, in Minutenschnelle waren das Konfetti und andere Überbleibsel der Hightech-Aufführungen weggefegt.
Im übrigen Stadtgebiet streikten die Arbeiter der Comlurb, der örtlichen Stadtreinigung. Bereits am Sonntagmorgen waren die Straßen im Stadtzentrum mit Müll übersät, Papierreste, Plastikflaschen, Bierdosen und vieles mehr stapelte sich in den Rinnsteinen und auf Gehwegen. Allerorten stank es nach Urin, da die Verwaltung der baldigen Olympiastadt nur an wenigen Stellen Klohäuschen aufgestellt hatte.
Überall blieb der Unrat liegen, auch am Mittwochabend war der Müll nur an einiges Stellen zu großen Bergen aufgestapelt. Mittlerweile ist der Arbeitskampf eskaliert: Hunderten Stadtreinigern wurde gekündigt, nachdem sie ihrer eigenen Gewerkschaft das Verhandlungsmandat entzogen haben. Die Stadtverwaltung spricht von Erpressung und hat drei Monate vor Beginn der Fußball-WM ein weiteres Problem.
Der Streik der rund 15.000 Stadtfeger kam nicht überraschend. Schon seit Langem fordern sie höhere Löhne, vor Kurzem sind ihnen sogar Sonderzahlungen wie der Feiertagszuschlag gekürzt worden. Angestellte der Stadtreinigung verdienen rund 800 Reais Anfangslohn, umgerechnet gut 250 Euro, zuzüglich einiger Extraleistungen. Nicht erst seit Rio de Janeiro im Zuge der Spekulation rund um die sportlichen Großevents zu einer der teuersten Städte der Welt geworden ist ,reicht dieses Geld kaum zum Überleben.
Der Müll stapelt sich
Am Montag einigten sich Stadtreinigung und Gewerkschaft auf eine Lohnerhöhung von 9 Prozent. Das sei nicht genug, befand die Mehrheit der Streikenden, und statt wieder zu fegen, organisierten sie – in Eintracht mit den überall umherziehenden Narren – eine weitere Demonstration zum Rathaus. „Diese Gewerkschaft repräsentiert uns nicht,“ erklärte Maria do Carmo. Zwei Drittel aller Putzkolonnen gehörten nun zu den Dissidenten. „Wir werden erst wieder arbeiten, wenn unsere Forderungen erfüllt und alle Entlassenen wieder eingestellt sind“, so Maria do Carmo.
1.200 Reais Grundlohn fordern die unnachgiebigen Stadtreiniger. „Eine solche Mehrausgabe kann sich die Stadt nicht leisten“, beteuerte Bürgermeister Eduardo Paes. Er riskiert, dass sich die Männer und Frauen in Orange mit Blick auf die Milliardenkosten für das Fußballspektakel gleich dem nächsten Anti-WM-Protest anschließen. 300 Dissidenten hat die Comlurb eine Kündigung ins Haus geschickt. Mit kleinen Gruppen könne nicht verhandelt werden, sagt der Chef der Stadtreinigung, zumal ein Arbeitsgericht des Streik für illegal erklärt habe.
Der Streit gärt weiter, der Müll stapelt sich. Mit Wiedereinstellungen und dem Schutz durch private Sicherheitsdienste versuchte Paes, die Streikenden zur Aufnahme des Putzdienstes zu bewegen. Doch am Verhandlungstisch blieben die Dissidenten standhaft. „Das ist Sklaverei. Wir fordern nur das Notwendigste, um mit einem Minimum an Würde zu leben“, sagte einer.
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