Streik bei Charité-Tochter CFM: Auch die Politik muss sich bewegen
Im Arbeitskampf der CFM-Beschäftigten gibt es vorsichtigen Optimismus. Soll Gerechtigkeit her, darf sich auch die Politik nicht einfach heraushalten.
M an muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Seit 2006, seit fast 20 Jahren, wird den Beschäftigten der Charité Facility Management (CFM) nun schon verwehrt, was eigentlich stinknormal sein sollte: die Bezahlung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), wie sie alle anderen Beschäftigten von landeseigenen Unternehmen auch erhalten. Damals lagerte die landeseigene Charité alle „nichtmedizinischen Dienstleistungen“ in ihr nur formal unabhängiges Subunternehmen aus – völlig transparent und um sich vor der Bezahlung nach Tarif drücken zu können.
Seither hören sich die Beschäftigten Versprechungen von Politiker:innen aller Parteien an, jetzt bald sei es endlich so weit, die ungerechte Bezahlung werde aufhören. Doch irgendein Grund fand sich immer, warum es dann doch noch nicht klappen konnte.
Man muss es als zivilisatorischen Lernprozess sehen, dass die Beschäftigten seit geraumer Zeit die Dinge selbst in die Hand nehmen. Seit Wochen befinden sie sich im unbefristeten Streik. Und siehe da: Nun, endlich, scheint sich möglicherweise doch etwas zu bewegen.
Solche vorsichtigen Hoffnungen sind jedenfalls aus der Gewerkschaft Verdi zu vernehmen. Demnach scheint es möglich, dass eine Einigung mit der Charité absehbar ist – zwar noch nicht in Sachen Bezahlung, aber doch wenigstens in Bezug auf die Rahmenbedingungen, unter denen die Verhandlungen stattfinden sollen. Dieser Schritt in die richtige Richtung lässt die Beschäftigten derzeit diskutieren, ob sie als Zeichen des guten Willens den Streik am kommenden Montag und Dienstag aussetzen – da sollen die Verhandlungen geführt werden. Eine Entscheidung soll am Freitag fallen.
Gleichbehandlung sind 40 Prozent mehr Lohn
Gewerkschaftssekretärin Gisela Neunhöffer betont gegenüber der taz, dass dieses mögliche Zugeständnis aus einer Position der Stärke heraus gemacht werden würde. „Unser Streik ist weiterhin sehr stark. Jeden Tag beteiligen sich über 600 Menschen. Das hat natürlich massive Auswirkungen“, sagte sie der taz. Sie gehe davon aus, dass sich durch den Streik in der Politik etwas bewegt habe. „Der Finanzsenator und der Regierende Bürgermeister haben einen Stufenplan zur Angleichung gefordert. Der Charité wird nahegelegt worden sein, eine Einigung zu erzielen“, so die Gewerkschaftlerin.
Die Politik präsentiert sich also, als habe sie das Beste für die Beschäftigten im Sinn. Aber ganz so einfach ist es nicht. Laut Markus Heggen, Pressesprecher der Charité, würde eine Lohnangleichung an das TVöD-Niveau eine Gehaltssteigerung von sage und schreibe 40,9 Prozent bedeuten – was schon alles darüber aussagt, wie ungerecht die Bezahlung derzeit ist.
Derzeit bietet die CFM 18 Prozent im Verlauf von drei Jahren. Mehr sei wirtschaftlich nicht leistbar, sagt Heggen. Eigentlich liegt der Ball also bei der Politik, die den Spuk ganz einfach beenden könnte, indem sie der Charité eine Gegenfinanzierung zusichert. Solange das nicht passiert, müssen die Beschäftigten wohl stark bleiben. Und sich nicht einlullen lassen.
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