piwik no script img

Streik bei BSR, Vivantes, Charité & Co.Geräumt wird trotzdem

Der Winterräumdienst läuft weiter, während Teile des öffentlichen Dienstes in Berlin streiken. Überschattet wird der Tag von der Amoknachricht aus München.

Wenn mein starker Arm es will: Demonstration zum Verdi-Tarifstreik am Donnerstag vor dem Bundesfinanzministerium Foto: Imago/photothek

Berlin taz | Nein, Berlin ist nicht Paris. Aber in dieser Woche kann es die deutsche Hauptstadt in Sachen Streiks durchaus mit Frankreich aufnehmen. Legten erst am Montag die Beschäftigten der BVG ihre Arbeit nieder, zieht am Donnerstag der öffentliche Dienst nach. Vor dem Hintergrund des Tarifstreiks zwischen den kommunalen Arbeitgeberverbänden VKA und den Gewerkschaften, hat Verdi die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu einem zweitägigen Warnstreik aufgerufen.

Kurz vor 10 Uhr versammeln sich am Donnerstag rund 2.500 Menschen in leuchtenden Warnwesten vor einer großen Bühne auf der Wilhelmstraße in Mitte, direkt neben dem Bundesfinanzministerium. Sie arbeiten bei Vivantes und Charité, der BSR, den Bäder- und Wasserbetrieben, dem Studierendenwerk.

Die klirrende Kälte scheint den Streikenden wenig anzuhaben. „Wir arbeiten ja auch sonst bei Wind und Wetter“, sagt ein BSR-Mitarbeiter zur taz, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Die Gehälter entsprechen einfach nicht den harten Arbeitsbedingungen“, so der bärtige Mittfünfziger mit flatterndem Verdi-Fähnchen in der Hand weiter.

Das steht auch für seinen Kollegen Carlos Seefeldt fest, der zusammen mit Anja Vogt von Verdi den Demo-Auftakt auf der Bühne macht, bevor die Versammelten weiter zur Geschäftsstelle der VKA am Spittelmarkt ziehen: „Unser Ziel ist klar: mehr Geld, mehr Zeit, meine Wahl.“ Zustimmender Jubel und laute „Jawoll“-Rufe. Die Botschaft ist unüberhörbar. Dass sie in den Chefetagen des Bundesfinanzministeriums ankommen wird, darf bezweifelt werden.

Notfallbetrieb in den Krankenhäusern

Lukas Wiedmann arbeitet als Fachkrankenpfleger in der Notaufnahme des Vivantes Klinikum Am Urban. Seit 5 Uhr steht er mit Kol­le­g*in­nen der Frühschicht vor dem Kreuzberger Krankenhaus an einem Streikposten. Er sagt: „Von der Politik erwarten wir nichts.“ Und mit Blick auf die Kassen von Bund und Ländern: „Die Kassen sind nicht leer, nur haben wir davon nichts, außer noch mehr Arbeit.“

Ungefähr 50 Pfle­ge­r*in­nen des Klinikums beteiligen sich am Streik, ein Notfallbetrieb wurde eingerichtet, sagt Wiedmann. „Die Versorgung muss natürlich weiterlaufen.“ Wie es von der Charité heißt, werden planbare, nicht dringende Eingriffe verschoben. Zeitkritische Tumoroperationen, Transplantationen, Operationen von Kindern, die Versorgung von Patienten mit Schlaganfall, Herzinfarkten und anderen Notfällen werden aber durchgeführt.

Dass eine funktionierende Daseinsvorsorge überlebenswichtig ist, zeigt sich auch an anderer Stelle: Hunderte Beschäftigte der BSR müssen angesichts der anhaltenden Schneefälle auf die Straße – um zu arbeiten, nicht um zu streiken. Der Winterdienst werde „in voller Stärke“ durchgezogen, sagt Stefan Bornost, der zuständige Gewerkschaftssekretär für Abfallwirtschaft. Rest- und Bioguttonnen bleiben indes ungeleert. Aber daran sind Ber­li­ne­r*in­nen ja gewöhnt.

Bei den bundesweiten Verhandlungen fordert Verdi von Bund und Kommunen unter anderem acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro mehr pro Monat, dazu höhere Zuschläge für Schichtarbeit und zusätzliche freie Tage. Die Fronten zwischen Verdi und VKA sind verhärtet. Die nächste Tarifverhandlungsrunde im öffentlichen Dienst ist für kommenden Montag und Dienstag angesetzt.

Überschattet wird die Demonstration der Gewerkschaft in Berlin von der mutmaßlichen Amokfahrt in München. Noch auf dem Weg zum VKA kommt die Nachricht aus der bayerischen Landeshauptstadt, dass ein Auto in einen dortigen Demonstrationszug von Verdi gerast ist und nach Behördenangaben mindestens 28 Menschen verletzt hat.

Verdi reagiert umgehend und sagt die geplante Abschlusskundgebung mit Rednern und Musik am Spittelmarkt ab. „Niemand ist jetzt in der Stimmung, kämpferische Reden zu halten“, so Verdi-Sprecher Kalle Kunkel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!