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Streetart-Künstler wehren sich gegen AdidasDie Kunst, unkommerziell zu bleiben

Streetart-Künstler wehren sich gegen die vermeintliche Instrumentalisierung ihrer Werke durch einen Kunstführer, der von Adidas finanziert wird. Am Dienstag versteigern sie in einer Protestauktion Turnschuhe.

Der Produzent von Sportartikeln macht sich unter Street-Art-Künstlern unbeliebt. Bild: Reuters, Christian Hartmann

Streetart-Künstler haben generell ein Urheberrechtsproblem. Wer seine Bilder im öffentlichen Raum auf Häuserwänden oder an Stromkästen platziert, verliert den Einfluss auf deren weiteres Schicksal – eine Tatsache, die auch den Reiz der Kunstform ausmacht. Nun hat sich darauf aufbauend ein Streit zwischen der Streetart-Szene und dem von Adidas mitfinanzierten Projekt „Urban Art Guide“ entzündet.

Auf einer Internetseite präsentiert eine sechsköpfige Redaktion seit März Streetart in Berlin. Man erfährt, wo bestimmte Kunstwerke zu finden sind, von wem sie stammen sowie Hintergrundwissen zum Künstler und seiner Arbeit. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, diese Informationen mit einem iPhone abzurufen. „Wir wollen einen Galerieführer für Streetart erstellen“, erklärt Redaktionsmitglied Aldona Kwiatkowski. „Man soll über sein Handy jederzeit auf Informationen zu den Werken zugreifen und auch selbst über die Internetseite Bilder hochladen und den Führer somit erweitern können.“

Doch viele Streetartisten wehren sich gegen das Projekt; sie fühlen sich von dem Sportartikelhersteller instrumentalisiert. „Durch den Kunstführer wird unsere Arbeit für Werbezwecke missbraucht“, sagt eine Künstlerin, die an Aktionen gegen den Kunstführer beteiligt ist und ihren Namen nicht nennen möchte. Doch da ihre Kunst urheberrechtlich nicht geschützt sei, stehe der Konzern rein rechtlich auf der sicheren Seite. Noch etwas an dem Auftreten des Turnschuhproduzenten ärgert sie: „Adidas präsentiert sich auf der Internetseite als langjähriger Unterstützer der Szene – das stimmt gar nicht“, meint die 27-Jährige. Es gebe keinen Kontakt zwischen den Künstlern und der Redaktion des „Urban Art Guide“.

Dennoch hätten die Künstler versucht, sich das Projekt zunächst zunutze zu machen und selbst Bilder hochzuladen. „Vieles ist aber zensiert worden und nie auf der Internetseite aufgetaucht“, so die Künstlerin. „Die wollen keine politischen Bilder, sondern nur Hübsches.“

Nach dieser Erfahrung entschloss man sich zu radikaleren Maßnahmen: Als Adidas Mitte März zu einer Rallye aufrief, bei der es in der Nähe von Streetart-Werken Turnschuhe einzusammeln galt, legten sich die Künstler auf der Lauer und kassierten reihenweise Schuhe ein. 20 Paar konnten sie sich sichern. Die ließen sie dann von Streetartisten designen; am heutigen Dienstag werden sie in der Galerie Superplan versteigert. Profitieren sollen das Mehrgenerationen-Hausprojekt „Freirauminitiative“ sowie das Kunstprojekt „Papergirl“, bei dem Kunstwerke vom Fahrrad aus an Passanten verteilt werden. „Mit der Auktion wollen wir gegen den Kunstführer demonstrieren und die Aufmerksamkeit auf das Urheberrechtsproblem der Streetart lenken“, sagt die Künstlerin.

In der Redaktion des „Urban Art Guide“ sieht man die Proteste und auch den Turnschuhklau gelassen. „Wie nehmen das wahr, und es geht sicherlich auch jemand von uns zur Auktion“, sagt Kwiatkowski. Boykottiert fühle man sich jedoch nicht. „Wir sind an einem Dialog interessiert und auch für Kritik offen.“

Zudem kann sie die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Natürlich haben wir Kontakt zur Szene.“ Nur sei die nicht organisiert, sodass man nicht mit allen Künstlern habe reden können. „Außerdem ist der Kunstführer unsere Idee gewesen, für die wir Adidas als Geldgeber gewonnen haben.“ Hier solle niemand für Werbezwecke instrumentalisiert werden.

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4 Kommentare

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  • R
    Ralf

    Dieser Artikel ist nun schon einige Tage alt, aber da mich die schlampige Recherche noch immer stört, möchte ich meine Meinung los werden.

     

    Im Prinzip kann eine Sache wie der adidas Urban Art Guide eine gute Sache sein- vorraus gesetzt, sie wird kompent umgemsetzt. In Ermangelung dessen ist das vorliegende Ergebnis nun nicht Zeichen einer Leidenschaft für "Street-Art", sondern lediglich der PR-Gag einer Agentur. Und da hätte der Autorin des TAZ Artikels dann vielleicht ein Blick ins Impressum und in die Rechtlichen Hinweise des adidas Urban Art Guide weiter geholfen. Wer sich diese Mühe macht, kann unter dem Punkt "Umsetzung" nachlesen, dass dafür die Agentur "Neuland + Herzer GmbH" mit Hauptsitz in Frankfurt/Main verantwortlich ist. Die Webseite dieser Agentur listet adidas neben BASF, Mercedes, Daimler und anderen Kunden ähnlichen Kalibers auf.

     

    Laut Selbstdarstellung der Agentur entwickelt diese "Strategien, Innovationen und Konzepte für Projekte mit dem Fokus auf Kommunikation, Information und Medien. (...)" und daher liegt die Vermutung nahe, dass der Urban Art Guide gezielt für adidas entwickelt wurde- und nicht ein unabhängiges Projekt auf der Suche nach Geldgebern war, wie im Artikel ein Redaktionsmitglied namens Aldona Kwiatkowski zitiert wird. Wer nach "Aldona Kwiatkowski" und "Neuland + Herzer" sucht, findet auf der Seite news4press.com eine Pressemitteilung vom 27. Januar 2009 (für etwas völlig anderes) mit dem Hinweis, Ansprechpartner bei Neuland + Herzer in Berlin sei Aldona Kwiatkowski. Zufälligerweise sind die Adressen der Redaktion des Urban Art Guide und der Berliner Niederlassung von Neuland + Herzer identisch.

     

    Weitere Zweifel, dass adidas lediglich bei der Finanzierung hilft, kommen auf, wenn in den rechtlichen Hinweisen nahezu ausnahmslos vom "adidas Urban Art Guide"  die Rede ist. Dort findet sich auch folgende Zeile: "Des Weiteren gelten insbesondere die Bestimmungen von adidas zur Nutzung ihrer Webseiten analog für die Nutzung der Urban Art Guide-Inernet-Seite. Siehe: http://www.adidas.com/de/shared/legal.asp".

     

    Ich bin enttäuscht, in der TAZ einen derartig halbgaren Artikel zu finden, der scheinbar auf nicht mehr beruht, als auf jeweils einem Gespräch mit einer Künstlerin und einem Redaktionsmitglied des Urban Art Guide. Für adidas und deren Agentur ist  es ein Erfolg, dass die Aussagen Frau Kwiatkowskis unhinterfragt übernommen wurden. Gerade von der TAZ hätte ich erwartert, dass diese Art von Werbung eines Konzerns etwas kritischer oder zumindest gründlicher betrachtet wird. Letztlich geht es nicht nur um ein paar Künstler, deren Arbeiten vereinnahmt werden: hier wird gezielt versucht, der Öffentlichkeit seitens des Konzerns und der Agentur Unabhängig und sogar Gemeinnützigkeit vorzuspielen. So etwas hat die TAZ an anderer Stelle vehement verurteilt.

  • DK
    david klein

    oh mann, mal wieder jemandirgendwer, der selbst immer nur die klappe aufreist und meint andere menschen negativ bewerten zu können, leute sich zusammenschliessen und per aktion (!) ihren unmut auf kreative art und weise äußern. selbst nix auf die reihe kriegen, aber als weiser kritiker vom hohen roß aus passiv im internet andere nieder machen. klasse, herzlichen glückwunsch.

    Dir gehts halt einfach (zu) schlecht. Aber mach nur so weiter, dann werden mit Sicherheit (gottseidank) wieder bessere Zeiten kommen.

  • J
    Juli

    Hier ist ein Link zu einem Hobnox-Filmchen mit Bildern der Auktion gestern Abend. Die Stimmung war super und es wurden rund €2000 für den guten Zweck eingespielt.

     

    http://tv.hobnox.com/#/en/CLTR-CTRL/Arteque/au5wa

  • F
    flashingtosh

    Cool! Da haben es die kleinen Davids dem bösen großen Goliath aber mal wieder richtig gezeigt! Wie super kritisch und aufgeklärt unsere "Immer-Jugend" doch heutzutage ist! Wow! Irgendwie auch einleuchtend, dass bei soviel Finesse für die echten Ganoven wie HypoRealEstate (hat halt mal eben 120 Mrd Euro aus Steuergeldern verbrannt) etc. nicht mehr so viel Kreativitätspotential übrig bleibt, um dann auch mal was relevantes zu instalieren. Hat ja auch mit Politik zu tun und das stinkt nach Verantwortung, was voll uncool ist. Also pullert sich die Szene, die so dermaßen von der Industrie abhängig ist einfach selber voll. Dann muss man sich auch nicht mehr mit ECHTEN Inhalten beschäftigen. Gratis-Werbe-Sneakers wegschnappen, diese dann mit Edding anmalen und schließlich fürs eigene Projekt verhökern ist doch die billigste Kopie der Majors.Schon da haperts also mit der Innovation! Mega lächerlich.

    Oder haben die sich aus purem Neid zusammengeschlossen, weil sie es bei keinem Brand auf die "Collaboration-List" geschafft haben?

     

    Zur Erinnerung: www.lodownmagazine.com, www.crookedtongues.com, solebox.com, www.overkillshop.com

     

    Euch gehts halt einfach (zu) gut. Aber macht nur so weiter, dann werden mit Sicherheit (leider) wieder andere Zeiten kommen.