Streetart-Künstler wehren sich gegen Adidas: Die Kunst, unkommerziell zu bleiben
Streetart-Künstler wehren sich gegen die vermeintliche Instrumentalisierung ihrer Werke durch einen Kunstführer, der von Adidas finanziert wird. Am Dienstag versteigern sie in einer Protestauktion Turnschuhe.
Streetart-Künstler haben generell ein Urheberrechtsproblem. Wer seine Bilder im öffentlichen Raum auf Häuserwänden oder an Stromkästen platziert, verliert den Einfluss auf deren weiteres Schicksal – eine Tatsache, die auch den Reiz der Kunstform ausmacht. Nun hat sich darauf aufbauend ein Streit zwischen der Streetart-Szene und dem von Adidas mitfinanzierten Projekt „Urban Art Guide“ entzündet.
Auf einer Internetseite präsentiert eine sechsköpfige Redaktion seit März Streetart in Berlin. Man erfährt, wo bestimmte Kunstwerke zu finden sind, von wem sie stammen sowie Hintergrundwissen zum Künstler und seiner Arbeit. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, diese Informationen mit einem iPhone abzurufen. „Wir wollen einen Galerieführer für Streetart erstellen“, erklärt Redaktionsmitglied Aldona Kwiatkowski. „Man soll über sein Handy jederzeit auf Informationen zu den Werken zugreifen und auch selbst über die Internetseite Bilder hochladen und den Führer somit erweitern können.“
Doch viele Streetartisten wehren sich gegen das Projekt; sie fühlen sich von dem Sportartikelhersteller instrumentalisiert. „Durch den Kunstführer wird unsere Arbeit für Werbezwecke missbraucht“, sagt eine Künstlerin, die an Aktionen gegen den Kunstführer beteiligt ist und ihren Namen nicht nennen möchte. Doch da ihre Kunst urheberrechtlich nicht geschützt sei, stehe der Konzern rein rechtlich auf der sicheren Seite. Noch etwas an dem Auftreten des Turnschuhproduzenten ärgert sie: „Adidas präsentiert sich auf der Internetseite als langjähriger Unterstützer der Szene – das stimmt gar nicht“, meint die 27-Jährige. Es gebe keinen Kontakt zwischen den Künstlern und der Redaktion des „Urban Art Guide“.
Dennoch hätten die Künstler versucht, sich das Projekt zunächst zunutze zu machen und selbst Bilder hochzuladen. „Vieles ist aber zensiert worden und nie auf der Internetseite aufgetaucht“, so die Künstlerin. „Die wollen keine politischen Bilder, sondern nur Hübsches.“
Nach dieser Erfahrung entschloss man sich zu radikaleren Maßnahmen: Als Adidas Mitte März zu einer Rallye aufrief, bei der es in der Nähe von Streetart-Werken Turnschuhe einzusammeln galt, legten sich die Künstler auf der Lauer und kassierten reihenweise Schuhe ein. 20 Paar konnten sie sich sichern. Die ließen sie dann von Streetartisten designen; am heutigen Dienstag werden sie in der Galerie Superplan versteigert. Profitieren sollen das Mehrgenerationen-Hausprojekt „Freirauminitiative“ sowie das Kunstprojekt „Papergirl“, bei dem Kunstwerke vom Fahrrad aus an Passanten verteilt werden. „Mit der Auktion wollen wir gegen den Kunstführer demonstrieren und die Aufmerksamkeit auf das Urheberrechtsproblem der Streetart lenken“, sagt die Künstlerin.
In der Redaktion des „Urban Art Guide“ sieht man die Proteste und auch den Turnschuhklau gelassen. „Wie nehmen das wahr, und es geht sicherlich auch jemand von uns zur Auktion“, sagt Kwiatkowski. Boykottiert fühle man sich jedoch nicht. „Wir sind an einem Dialog interessiert und auch für Kritik offen.“
Zudem kann sie die Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Natürlich haben wir Kontakt zur Szene.“ Nur sei die nicht organisiert, sodass man nicht mit allen Künstlern habe reden können. „Außerdem ist der Kunstführer unsere Idee gewesen, für die wir Adidas als Geldgeber gewonnen haben.“ Hier solle niemand für Werbezwecke instrumentalisiert werden.
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