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Streaming-DiensteHimmlische Jukebox im Netz

Der Streaming-Dienst Spotify bietet 3,8 Millionen Songs zur Auswahl - finanziert wird das über Werbung oder eine monatliche Gebühr. Bald könnte die Plattform auch bei uns an den Start gehen.

Musik analog - ein Auslaufmodell. Bild: jrossol (cc-by-sa)

Im Musikbereich stehen aktuell viele Zeichen für den Wandel zu Streaming. Der Vorteil: Man spart Speicherplatz und muss sich nicht um die nachträgliche Entsorgung unerwünschter Musik oder Filme kümmern. Außerdem kann Streaming billiger oder sogar gratis sein, schließlich ähnelt es eher Radio und Fernsehen als dem Einkauf im Platten- oder Videoladen.

Die Idee: Wenn man Songs und Alben auf den PC des Nutzers strömen lässt, kann man parallel dazu auch gut bezahlte Werbung einblenden, denn Musik bindet immer auch Aufmerksamkeit. Damit entsteht das Potenzial für eine so genannte "himmlische Jukebox": Ein Musikangebot ohne Grenzen, mit nahezu allen Songs.

Der europäische Dienst Spotify versucht nun, genau das umzusetzen: Er bietet dank Verträgen mit den Labels eine fast uneingeschränkte legale Musikauswahl, blendet dafür aber parallel Werbung ein, der man nicht entgehen kann.

Hinter Spotify, das seinen Sitz in Stockholm und London hat, stecken einige clevere skandinavische Internet-Unternehmer, die bereits gezeigt haben, wie man im Netz Geld verdient. So war Mitbegründer Daniel Ek einst Technikchef bei Stardoll, wo ein vor allem junges weibliches Publikum gegen Bezahlung virtuelle Anziehpuppen gestalten kann. Sein Kollege Martin Lorentzon war beim Start des erfolgreichen Affiliate-Marketing-Unternehmens Tradedoubler dabei, das auch in Deutschland zahlreiche große Marken zu seinen Online-Kunden zählt.

Noch müssen Interessierte hierzulande bei Spotify allerdings draußen bleiben, denn die Verhandlungen mit Plattenindustrie und Rechteverwertern sind noch nicht abgeschlossen. Beim Klick auf die Seite gibt's eine Fehlermeldung. In den Ländern, in denen der Dienst bereits läuft, ist er aber bei Nutzern schnell hochbeliebt - Schweden, Norwegen, Finnland, Frankreich, Spanien und vor allem das Vereinigte Königreich geben die Vorreiter.

In der schwedischen Heimat bewiesen die Spotify-Macher bereits, dass ein solches Angebot profitabel funktionieren kann: Laut dem Stockholmer Vertreter von Universal Music verdient das in Schweden größte Majorlabel dort inzwischen mehr Geld über den Werbe- und Lizenzdeal mit Spotify als über Apples Online-Musikladen iTunes, wo man pro Download bezahlt.

Grund dafür ist, dass die Nutzung des Dienstes "explodiert" sei, zudem mangelt es nicht an passender Werbung. Ob sich die Erfahrungen aus dem besonders Internet-affinen skandinavischen 9,2 Millionen-Staat auf andere Länder übertragen lassen, bleibt allerdings abzuwarten.

Aus Nutzersicht ist die Einfachheit von Spotify jedenfalls bestechend. Das Angebot ist mit 3,8 Millionen Songs riesig - selbst wenn hier und da ein Superstar fehlt - die Bedienung mit einer eigenen vernünftig programmierten Software für Mac und Windows (iPhone in Vorbereitung) so direkt wie bei iTunes, eine schnelle DSL-Leitung vorausgesetzt.

Im Netz finden sich längst Seiten, die Spotify-Abspiellisten anbieten. Die Werbung ist dabei zumindest beim durch taz.de getesteten britischen Spotify-Ableger dezent - Unterbrecherreklame oder Pop-ups werden derzeit noch bewusst vermieden, manchmal ist das Angebot komplett reklamefrei. Wer gar keine Werbung sehen will, kann sich außerdem zu einem Abo anmelden. Für zehn Pfund im Monat erhält man dann einen komplett freien Dienst, der außerdem noch eine etwas bessere Tonqualität bietet.

Und Spotify ist bei weitem nicht der einzige Streaming-Dienst, der Musik kostenlos anbietet. Die Musikdatenbank Last.fm, ein Pionier auf dem Gebiet freier legaler Online-Songs, bietet bereits seit letztem Jahr eine eingeschränkte Gratis-Jukebox. Dort kann man einzelne Titel mehrmals komplett durchhören, wenn entsprechende Verträge mit den Labels bestehen, die Werbeeinnahmen zu teilen. Und dann wäre da noch der Online-Video-Marktführer YouTube: Auch dieser hat längst Lizenzabkommen mit Rechteinhabern und -verwertern geschlossen, um Musikvideos legal anbieten zu können. Aber auch hier gibt es noch ein großes Gerangel um die Tarifierung. So streitet man sich aktuell in Deutschland über den Preis.

Denn: So lange nicht klar ist, wie viel durch Werbeeinnahmen bei Streaming-Diensten wirklich herumkommt, so lange bleibt auch der direkte Musikverkauf - online und auf CD - die wichtigste Einnahmequelle. Dass Dienste wie Spotify zumindest dem Anschein nach das Potenzial haben, signifikante Mittel für legale Musik zu akquirieren, ist aber schon einmal ein gutes Zeichen. Die "himmlische Jukebox" muss kein Traum mehr sein.

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