Strategiespiele: Posten-Poker um neuen Datenschützer

Niedersachsen sucht einen neuen Landesdatenschützer, die Fronten zwischen Opposition und Regierung sind allerdings verhärtet.

Nachfolger gesucht: Noch ist Joachim Wahlbrink (SPD) Herr der Akten im niedersächsischen Datenschutz. Bild: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsen braucht einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten. Ende Juni läuft die achtjährige Amtszeit des derzeitigen Beauftragten Joachim Wahlbrink (SPD) aus. Und während man im Nachbarland Schleswig-Holstein derzeit über eine Änderung der Landesverfassung nachdenkt, um dem dortigen Datenschützer Thilo Weichert eine dritte Amtsperiode zu ermöglichen, war eine Verlängerung für Wahlbrink in Niedersachsen bislang kein Thema. Die Frage der Nachfolge entwickelt sich dort vielmehr zum Poker der Parteien.

Auf Vorschlag der Landesregierung wird der Datenschutzbeauftragte mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Landtag gewählt, so schreibt es Niedersachsens Verfassung vor. Dass Niedersachsens Regierende stets einen Kandidaten aus dem Oppositionslager empfehlen, ist dabei ein ungeschriebenes Gesetz.

Die Logik dahinter: Aus Sicht der Opposition ist ein Datenschutzbeauftragter aus den eigenen Reihen frei vom Verdacht, sich mit der Regierung gemein zu machen. Und auch aus Sicht der Regierenden hat eine solche Postenvergabe angenehme Nebeneffekte: Bislang rekrutierte man den Datenschützer traditionell aus der Verwaltung der Ministerien – und konnte damit eine Stelle für eigene Leute frei machen. Ganz so lief es auch beim Noch-Beauftragte Wahlbrink: Der SPD-Mann war vor seiner Wahl zum Landesdatenschützer Referatsleiter in der Kommunalabteilung von Ex-Innenminister Uwe Schünemann (CDU).

An diesen Gepflogenheiten hält man auch jetzt fest. Die Gespräche über die Nachfolge für die mit 8.245 Euro im Monat dotierte Stelle laufen längst. Eine gemeinsame KandidatIn ist derzeit allerdings nicht in Sicht, die Fronten gelten als verhärtet. Als Favorit des Regierungslagers wird stets ein CDU-naher Abteilungsleiter im Innenministerium genannt. Den würde Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem Vernehmen nach liebend gerne wegloben und den Posten mit einem Genossen besetzen. Die CDU allerdings blockt ab: Im Innenministerium sieht man den eigenen Mann gut vertreten.

Das Amt des Datenschutzbeauftragten wurde in Niedersachsen 1993 eingerichtet, zunächst angegliedert und beaufsichtigt vom Innenministerium.

Den Status einer von der Landesregierung völlig unabhängigen obersten Landesbehörde haben Niedersachsens Datenschützer erst seit 2010 - so wie es ein EuGH-Urteil damals forderte.

Die Behörde mit rund 30 MitarbeiterInnen versteht sich als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger in Sachen Datenschutz.

Konkret überwacht sie den Umgang mit personenbezogenen Daten bei Niedersachsens Behörden wie auch bei der Privatwirtschaft.

Bei Datenschutzverstößen versucht die Behörde zu vermitteln. Gelingt dies nicht, kann sie Verstöße offiziell beanstanden.

Zudem hat die CDU längst einen eigenen Kandidaten auserkoren: Holger Spreen, einst Büroleiter von Ex-CDU-Ministerpräsident David McAllister. Der ist seit dem Regierungswechsel zwar nach wie vor in der Staatskanzlei beschäftigt. Unter McAllisters Amtsnachfolger Stephan Weil (SPD) sitzt Spreen dort allerdings in der Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung statt an der Hausspitze. Gerne würde man Spreen, den man als „peniblen Beamten mit korrektem Ruf“ rühmt, wieder „in einer seinen Kenntnissen und Leistungen entsprechenden Funktion sehen“, wie es aus der CDU-Fraktion heißt. Wegen seiner langjährigen Nähe zu McAllister gilt Spreen für die SPD allerdings als indiskutabel.

Leicht irritiert verfolgen unterdessen die Landtagsfraktionen von Grünen und FDP den Postenpoker um den obersten Datenschützer. Die Verhandlungen gehen an ihnen weitgehend vorbei – für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Postenvergabe reichen die Stimmen von SPD und CDU auch ohne sie. Man werde dennoch längst nicht jeden akzeptieren, den der große Regierungspartner präsentiert, betont man bei den Grünen. Mit eigenen Personalvorschlägen allerdings mögen sich angesichts der Stimmenverhältnisse derzeit weder Grüne noch FDP vorwagen. Sollten sich die Großen nicht einigen können, stehe man aber mit „Personen bereit, die das Amt von heute auf morgen übernehmen könnten“, heißt es von der FDP.

Zugleich fragt man sich bei FDP wie Grünen, ob eine geeignete DatenschützerIn nicht auch außerhalb des Politik und Verwaltungsapparates zu finden ist. Die Rechtslage ließe das ohne weiteres zu – die „Befähigung zum Richteramt“ ist die einzige formal vorgesehene Qualifikation. In der Staatskanzlei blockt man das allerdings umgehend ab: Aus Sicht der Aufgabenstellung sei es „sicherlich gut, jemand vorzuschlagen, der sich mit dem Inneren der Landesverwaltung auskennt“.

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