Strategiediskussion bei der DFB-Elf: Weiter so!
Nach der Halbfinal-Demontage durch Spanien will Kapitän Philipp Lahm den eingeschlagenen Weg weitergehen. Hoffentlich mit dem Bundestrainer Joachim Löw.
ERASMIA taz | Harald Stenger, der Pressesprecher, hing wie ein Trauerkloß hinter seinem Mikrofon. Mit einer Stimme, die einer Beerdigung angemessen gewesen wäre, verkündete er: "Das ist sicherlich kein leichter Tag heute." Man hätte am liebsten kondoliert, aber dafür blieb keine Zeit, denn eine der letzten Pressekonferenzen im Teamquartier des DFB musste ja trotz Grabesstimmung und ziemlich leerer Ränge über die Bühne gebracht werden. Das 0:1 im Halbfinale gegen Spanien hatte die Verantwortlichen des DFB-Teams sichtlich aus der Bahn geworfen. Sie alle, auch Stenger, hatten ja nach dem 8:1 gegen Argentinien und England Weltmeister werden wollen.
Aber ein spanisches Team, das den Ball wie ferngesteuert über den Platz wandern ließ, hatte ihnen alles vergällt, und zwar so sehr, dass sie den Termin am Brandenburger Tor gestrichen haben und am Montag gleich in den Urlaub fahren. Puyol und Co hatten die stolzen Energiefußballer, die angetreten waren, den vierten Stern zu erobern, zu Sauertöpfen werden lassen. In Durban war die DFB-Elf dem Ball hinterhergerannt wie ein Windhund der Hasenattrappe. Es war ein aussichtsloses Unterfangen. Ein bisschen gedemütigt müssen sie sich vorgekommen sein, die deutschen Spieler, auch wenn das Philipp Lahm einen Tag nach dem Spiel nicht zugeben wollte.
Nein, sie hätten ihre Chance gehabt - im Gegensatz zum EM-Finale 2008 im Wiener Ernst-Happel-Stadion, behauptete er trotzig. Co-Trainer Hansi Flick wusste es freilich besser. "Wir hatten keinen Zugriff, wir sind gar nicht dahin gekommen, wo wir die Spanier hätten treffen können", sagte er. Ja, nicht einmal "Tuchfühlung für Härte", also für ein energisches Dagegenhalten, hätte die DFB-Elf gehabt. Die bittere Erkenntnis lautete: Die waren einfach viel besser als wir, und wenn wir dahin kommen wollen, wo die jetzt sind, dann müssen wir einen weiteren Quantensprung tun. "Spanien hatte eine Superordnung, es ist mit das Beste, was es auf der Welt gibt", mit diesen Worten empfahl Flick das Team von Vincente del Bosque für die Hall of Fame des Fußballs.
So ein verlorenes Halbfinalspiel lässt natürlich viele Fragen offen. Beispielsweise, wie es nun mit dem deutschen Offensivfußball weitergeht. "Wir werden den Weg weiter beschreiten, die Spieler sind entwicklungsfähig", sagte Flick, der neben dem niedergeschlagenen Stenger noch recht kregel wirkte. Die Mannschaft habe "absolutes Potenzial". Daran zu arbeiten, das sei eine Aufgabe für die Zukunft.
Lahm schlug in dieselbe Kerbe: "Die Mannschaft hat viel Qualität, sie muss aber weiter hart an sich arbeiten. Wir müssen noch besser werden", sagte er, "von Sehr-sehr-gut zu Top." Aber wer ist in Zukunft zuständig fürs Team, Bundestrainer Joachim Löw oder ein anderer? "Die Mannschaft braucht einen guten Trainer", antwortete Lahm, "sie hat einen sehr guten, mehr gibt es dazu von meiner Seite nicht zu sagen."
Obwohl es nicht für den Titel gereicht hat, versuchen nun allerlei Experten, Honoratioren, Politiker und Ehemalige, Löw zum Bleiben zu überreden: Beckenbauer, Merkel und auch Wulff, der Bundespräsident, reihen sich ein in die Schar der Löw-Freunde. Er solle bitte schön bleiben, so singen sie im Chor, doch der Bundestrainer will sich erst nach dem Spiel um den dritten Platz am Samstag gegen Uruguay äußern - oder ein paar Tage später. Am Sonntag wird es eine Pressekonferenz mit DFB-Präsident Theo Zwanziger geben, die vielleicht Aufschluss darüber gibt, wie sich Löw entscheiden wird.
Ob Lahm weiterhin Kapitän der Nationalmannschaft bleibt, ist gleichfalls offen. Lahm will die Binde behalten. Michael Ballack erhebt auch Ansprüche auf das Textil. "Es wäre doch schlimm, wenn ich dieses Amt nicht weiterführen wollte", rechtfertigte sich Lahm. Es gebe aber keinen "Machtkampf mit Michael", sagte er, denn der Einzige, der Macht habe im Nationalteam, sei der Bundestrainer. Und wenn der Ballack wieder zum Kapitän mache, "dann habe ich damit überhaupt keine Probleme".
Nun blieb nur noch eine Frage offen: Was ist eigentlich mit dem kleinen Finale in Port Elizabeth? "Wichtig wäre, es zu gewinnen", sagte Flick. Harald Stenger schaute, als müsse das Team einen Canossagang an die südafrikanische Küste antreten.
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