Straßenfest für Geflüchtete: Borschtsch und Diskokugel
Die Bedingungen in der Tegeler Geflüchtetenunterkunft sind kaum menschenwürdig. Bei einem Fest am Freitag gab es zumindest einen Moment zu Aufatmen.
Organisiert wird das Fest am Freitag von der Initiative Tegel Assembly, ein Unterstützer:innenkreis des Tegel-Camps, der sich einmal im Monat zu einem Austauschtreffen trifft. Auch die kurdische Initiative Alan Kurdi und verschiedene antifaschistische Organisationen gehören dazu. Das heutige Ziel: Geflüchtete und nicht-geflüchtete Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, Hilfe und Unterstützung anbieten – und einfach eine gute, unbeschwerte Zeit haben.
Anstelle des sonst berüchtigt schlechten Essen im Tegeler Camp gibt es heute kurdische und ukrainische Küche. Auf einem fahrenden Kochmobil kocht eine Küfa-Initiative Borschtsch, nebenan serviert Alan Kurdi Couscous und Salat. „Wir hoffen, es schmeckt heute allen besser als im Camp“, sagt Borya Pospelov, einer der Köche.
Um endlich einmal wieder gut zu essen, ist heute auch Andii Kpaievskyi gekommen. Seit sechs Wochen ist er mittlerweile in der Tegeler Unterkunft, am liebsten würde er sie schnellstmöglich wieder verlassen und in eine eigene Wohnung ziehen. In der Ukraine habe er als Volksmusik-Sänger gearbeitet, erzählt er. In der Unterkunft lagen Flyer für das Straßenfest aus, und es sei schön, auch mal aus dem Camp herauszukommen.
Ein Shuttle-Bus bringt die Bewohner:innen von der Unterkunft zum Fest. Denn das findet auf dem sogenannten Turbulence-Gelände statt, der ehemaligen Frachtkantine des Flughafens. Ein Jahr lang hat ein Kollektiv hier Events und Raves ausgerichtet, am Samstag schließt der Veranstaltungsort seine Pforten. Auf dem Flughafengelände übrig bleiben dann ein Co-Working-Space und mehrere Green-Energy-Unternehmen. Berliner Start-up-Kultur unweit des Tegel-Camps, das trotzdem weiter weg nicht sein könnte.
Menschenunwürdige Zustände
Denn dort, wo früher einmal Flugzeuge in alle Welt starteten, ist nun Deutschlands größte Unterkünfte für Geflüchtete. Etwa 5.500 Menschen leben hier – sofern man von „leben“ sprechen kann. Die meisten von ihnen stammen aus der Ukraine, aber auch aus Afghanistan, der Türkei, Syrien, Vietnam und Moldau. Das Lager war bei der Eröffnung 2022 dafür geplant, kurzfristig Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen. Wenige Tage lang, wohlgemerkt, nicht etwa mehrere Monate, wie es mittlerweile oft der Fall ist. Eine ukrainische Familie erzählt auf dem Fest, dass sie mit 14 Menschen und einem Hund im Zelt schlafen. Für ihre kleine Tochter sei das besonders schlimm.
Immer wieder wird über katastrophale Hygiene, Isolation der Bewohner:innen vom Rest der Stadt und schlechte Gesundheitsversorgung berichtet. Die Zustände in der Unterkunft sind menschenunwürdig – darüber sind sich eigentlich alle einig. Allen Missständen zum Trotz schließt Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner derzeit nicht aus, die Unterkunft in Tegel nochmals zu erweitern. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlen dort noch steigen werden, sei „sehr, sehr groß“, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch.
Dabei kämpfen Initiativen, wie auch die Tegel Assembly, immer wieder um die Abschaffung des Camps. Sie fordern, die Geflüchteten dezentral in Wohnungen unterzubringen, sie bei einem selbstbestimmten Leben in Berlin zu unterstützen. „Langfristig ist unser Ziel, dass niemand mehr im Tegel-Camp wohnen muss und Menschen richtig in Deutschland ankommen können“, sagte Tegel Assembly-Aktivistin Hanna Schwarz kürzlich der taz.
Doch so lange dieses Ziel noch in weiter Ferne ist, will die Initiative zumindest die Situation vor Ort verbessern und den Anliegen der Geflüchteten Gehör verschaffen. Das Straßenfest soll dabei nur ein Anfang sein.
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