Strahlungsexperte über Flughafen-Kontrollen: "Ich hätte mit Scans kein Problem"
Die Forschung könnte Nacktscanner überflüssig machen, urteilt der Strahlungsexperte Hübers. Geräte würden Sprengstoffe genau analysieren.
taz: Herr Hübers, würden Sie sich in Ihrer Privatsphäre verletzt fühlen, wenn Sie am Flughafen durch Körperscanner gehen müssten?
Heinz-Wilhelm Hübers: Nein, ich hätte mit Scans kein Problem. Das Abtasten mit der Hand kann weit unangenehmer sein als ein Scan, je nachdem, wer das wie macht. Außerdem anonymisiert die aktuelle Generation der Geräte das Bild so weit, dass keine Details zu erkennen sind.
Manche Scanner liefern keine Anonymisierung, etwa durch Verpixelung.
Selbst diese sogenannten Nacktbilder sind nur schwer einer Person zuzuordnen. Einschränkend muss ich bei meiner Haltung aber sagen: Wer persönliche Merkmale wie zum Beispiel einen künstlichen Darmausgang hat, kann den Scan sehr wohl als Eingriff in die Intimsphäre empfinden. Da habe ich großes Verständnis für Vorbehalte. Es hängt im Übrigen sehr vom kulturellen Hintergrund ab, wie sie akzeptiert werden.
Viele Körperscanner arbeiten mit der sogenannten Terahertz-Strahlung. Was ist das?
Im elektromagnetischen Bereich liegt diese Strahlung zwischen der Mikrowellen- und der Infrarot-Strahlung. Vereinfacht gesagt ist Terahertz also eine andere Art von Wärmestrahlung. Jeder Mensch emittiert aus diesem Grund Strahlen in diesem Bereich.
Sind sie gesundheitsschädlich?
Im Terahertz-Bereich ist die Energie der Strahlung pro Teilchen extrem gering. Röntgenstrahlung kann den Körper durchdringen und Zellen zerstören, sie liegt am entgegengesetzten Ende des Spektrums (siehe Kasten). Terahertz wird in den oberen Hautschichten absorbiert.
Gibt es empirische Studien zur Wirkung der Strahlen?
Es liegen vergleichsweise wenig Untersuchungen zur Belastung durch Terahertz-Strahlen vor, hier gibt es also noch Forschungsbedarf. Doch die existierenden Studien geben keine belastbaren Hinweise auf irgendeine Art von Gefährlichkeit der Strahlung für Menschen.
Die Regierung will also eine kaum untersuchte Technologie für Massenscans nutzen?
Nein. Die Scanner, über die im Moment diskutiert wird, sind streng genommen keine Terahertz-Geräte, sondern Millimeterwellen-Scanner. In diesen Strahlungsbereichen gibt es durch Studien unterlegte Vorschriften, wie hoch die Belastung sein darf. Nach dem, was ich höre, liegen die Geräte weit darunter.
Woran liegt es, dass Scanner durch Kleidung sehen können?
Kleidung aus Baumwolle oder Synthetikmaterial ist für die Strahlung durchlässig - so ähnlich, wie Glas für Lichtstrahlen durchlässig ist. Die Geräte machen dann die Reflexion der Strahlung sichtbar. Und die Haut reflektiert sie anders als Gegenstände aus Metall, Plastik und anderen Stoffen. Diese werden so unter der Kleidung sichtbar. Dabei beleuchten die Geräte die Person mit Strahlen - oder sie nutzen die vorhandene Terahertz-Strahlung des Raums und des Menschen für die Abbildung.
Kann der Beamte auf dem Bild erkennen, ob es ein Brillenetui aus Plastik oder ein Päckchen Plastiksprengstoff ist?
Das hängt sehr davon ab, wie das Objekt am Körper aussieht. Oft wird die Identifizierung erst möglich sein, wenn der Fluggast es herausholt. In fernerer Zukunft wird vielleicht die Erkennung über ein Bild überflüssig. Es ist nämlich auch möglich, eine Spektroskopie vorzunehmen, also eine Analyse des Strahlungsspektrums des Materials.
Das Etui liefert ein anderes Spektrum als Sprengstoff?
Wir haben an unserem Institut eine Reihe verschiedener Sprengstoffe untersucht. Sie alle zeigen ein anderes Verhalten bei der Absorption und Reflexion von Terahertz-Strahlung. Jeder hat also einen eigenen Fingerabdruck, der sich zur Erkennung nutzen ließe. Diese Versuche befinden sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium.
Wie sieht also der Nacktscanner der Zukunft aus?
In 20 Jahren ist ein Bild des Körpers vielleicht unnötig, die Frage "Nackt oder nicht nackt" stellt sich dann nicht mehr. Das Gerät würde gefährliche Stoffe allein durch ihre Signatur erkennen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist