Strafvollzug: Selbstverbrennung wirft Fragen auf
In Neumünster stirbt ein Häftling in seiner Zelle. Mitgefangene werfen dem Wachpersonal vor, es habe zu spät auf einen Alarm reagiert.
HAMBURG taz | Das Wachpersonal des Gefängnisses Neumünster hat möglicherweise zu spät auf den Brand in einer Zelle reagiert. Dabei ist am 21. Oktober ein Häftling ums Leben gekommen. Nach taz-Informationen wollen mehrere Mithäftlinge wegen des Feuers den Alarmknopf gedrückt haben. Danach allerdings habe es zehn Minuten gedauert, bis Justizbeamte gekommen seien. Das widerspricht der Darstellung des Leiters der Justizvollzugsanstalt (JVA), Jörg Alisch.
Alisch zufolge bemerkte der Nachtdienst das Feuer gegen 1 Uhr morgens, da sich Brandgeruch ausbreitete. "Die Mitarbeiter liefen sofort zu der Zelle, konnten aber die Tür dort nicht öffnen, weil sie sich durch die starke Hitze bereits stark verzogen hatte", sagt der Gefängnisdirektor. Als es der Feuerwehr schließlich gelungen sei, die Tür zu öffnen, sei der Häftling bereits tot gewesen.
Dieser Darstellung widersprochen haben unabhängig voneinander mehrere Häftlinge gegenüber einem Rechtsanwalt - alle wollen ungenannt bleiben. Demnach soll der Gefangene "sehr laut geschrien" haben, als seine Zelle brannte. Die Insassen der Nachbarzellen hätten den Notknopf gedrückt. Dennoch seien erst zehn Minuten später Beamte zur brennenden Zelle gekommen. Es sei nicht selten, dass auf Notsignale spät reagiert werde.
Dass es nicht gleich gelungen sei, die Zellentür zu öffnen, könnte einem baulichen Mangel geschuldet sein, spekulieren die Häftlinge: Den Türen fehlten Dehnungsfugen, die es erlauben würden, sie auch bei Hitzeeinwirkung noch zu öffnen.
Ob solche Fugen geholfen hätten, ist ungewiss: Offenbar hatte der zu Tode gekommene Gefangene brennbares Material von innen vor die Zellentür geräumt. Das spricht dafür, dass sich der 36-jährige Algerier selbst töten wollte - zumal er angekündigt hatte, sich umbringen zu wollen. Das habe Justizstaatssekretär Michael Dölp (FDP) im Innen- und Justizausschuss berichtet, sagt der Landtagsabgeordnete Heinz-Werner Jezewski (Die Linke).
Trotz der Ankündigung sei der Algerier weder besonders betreut noch in eine Beobachtungszelle verlegt worden, kritisieren Mithäftlinge. Jezewski vermutet, dass Verständigungsprobleme eine Rolle gespielt haben könnten. Trotzdem stelle sich für ihn die Frage: "Kann man so einem ein Feuerzeug lassen, einen Toaster oder einen Tauchsieder?" Möglich ist auch, dass der Häftling seine Absicht nur Mitgefangenen anvertraut hat.
Gefängnisdirektor Alisch hatte den Schleswig Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ) am Tag des Vorfalls darauf hingewiesen, dass Häftlinge Feuerzeuge zum Rauchen besitzen dürfen. "Wegnehmen dürfen wir ihnen das Feuerzeug nur, wenn es einen begründeten Anlass gibt", so Alisch. Die Kieler Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern.
Wie Jezewski erfuhr, saß der 36-Jährige zuerst in Abschiebehaft. Als aus London ein Haftbefehl wegen versuchten Totschlags eintraf, wurde der Algerier in die Untersuchungshaft nach Neumünster verlegt.
Der Bericht im Innenausschuss hat für Jezewski einige Fragen offen gelassen. Daher hat er Akteneinsicht beantragt.
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