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■ Stollmann im Dauerkonflikt mit Gewerkschaften und LinkenSchröders englisches Spiel

Jost Stollmann macht Politik. Und was für eine! Tag für Tag fährt er mit neuen Äußerungen Gewerkschaften und Sozialdemokratie an den Karren. Sozialbeiträge sollen vom Arbeitseinkommen abgekoppelt werden, die betriebliche Mitbestimmung will er „flexibilisieren“ und die Ladenschlußzeiten lockern. Gewerkschafter und Linke schreien auf. Dann stellen sich Schröder, Lafontaine und Müntefering vors Mikro und ausdrücklich hinter Stollmann. Tag für Tag.

Auf den ersten Blick sieht dies nach permanenter Schadensbegrenzung aus. In Wirklichkeit ist es ein ausgeklügeltes Spiel, in dem die Gewerkschaften nur Statisten sind und es nicht merken. Dieses Spiel stammt aus England: Wie es geht, hat Tony Blair vor drei Jahren vorgemacht.

Blair hatte 1994 eine nach vier Wahlniederlagen in Folge demoralisierte Labour Party übernommen. Großbritannien befand sich „im wirtschaftlichen und sozialen Zerfall“, wie ein politischer Bestseller damals formulierte. Doch anstatt die Bürger mit bewährter linker Programmatik zu beglücken, kippte Blair das Symbol von Old Labour schlechthin: den sogenannten Clause Four (Paragraph vier) der Parteistatuten. Dieser schrieb die Vergesellschaftung der Produktionsmittel als wesentliches politisches Ziel von Labour fest. Alles Zetern von Gewerkschaften und Linken war vergebens: Clause Four wurde im April 1995 durch eine neue Formulierung ersetzt, die nicht nach Klassenkampf klang und die gesellschaftliche Mitte nicht verprellte. Die Botschaft kam an, und gut zwei Jahre später zog Blair in Downing Street ein.

Für dieses Spiel hat Schröder nun Stollmann angeheuert. Der soll verbal die heiligen Kühe der altbundesrepublikanischen Linken schlachten und die SPD damit für die Mitte salonfähig machen. Daß die Rechnung aufgehen könnte, zeigen die Reaktionen aus Wirtschaft und Koalition. BDI-Chef Hans-Olaf Henkel attestiert Stollmann, seine Äußerungen seien „vernünftig und könnten 1:1 von einem BDI-Präsidenten stammen“. Das treibt die Union zur Raserei, die Stollmanns Engagement durch die SPD hilflos „Heuchelei“ und „Wählertäuschung“ nennt.

Die SPD-Führung kann darüber nur lachen. Für sie gibt es nur ein Ziel: nach der Wahl auf der Regierungsbank zu sitzen – egal, mit wem. Der Weg dorthin führt nicht über links, mit den Stimmen der Gewerkschaften, und erst recht nicht über rechts, wo sich jetzt die Union mit den Themen Kriminalität und Ausländer tummelt, sondern gerade durch die „neue“ Mitte – da, wo Stollmann herkommt. Niels Boeing

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