Stille Reserven bei Lebensversicherungen: Härtefall mit Überschuss
Die Bundesregierung will Lebensversicherer auf Kosten der Kunden entlasten – trotz üppiger Gewinne. Der Bundesrat blockt ab und ruft Vermittlungsausschuss an.
![](https://taz.de/picture/180106/14/Lebensversicherungdpa1er.jpg)
HAMBURG taz | Der Streit über die Auszahlung von Buchgewinnen der Lebensversicherer geht erst im Januar in seine entscheidende Runde. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will mit einer „Härtefallregelung“ Lebensversicherer entlasten. Auf Kosten der Versicherten, wie Kritiker befürchten.
Betroffen sind etwa drei Millionen Versicherte, deren Verträge 2013 auslaufen werden. Der Bundesrat hat am Freitag auf seiner letzten Sitzung dieses Jahres das Gesetzesvorhaben in den Vermittlungsausschuss überwiesen und damit vorerst gestoppt.
Erst im November hatte die Bundesregierung eine Entlastung der Lebensversicherer beschlossen. Diese sind überwiegend auf sichere Geldanlagen ausgerichtet und legen daher viel Kapital in festverzinsliche Wertpapiere und Staatsanleihen an. Allein die Allianz verwaltet laut Geschäftsbericht weltweit Kapitalanlagen von rund 1,7 Billionen Euro.
Seit der Staatsschuldenkrise gelten viele Anleihen aber nicht mehr als sicher – zudem sind die Zinssätze seit dem Ausbruch der Banken- und Finanzkrise 2007 auf historische Tiefststände gesunken. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will daher der Assekuranz einen sogenannten Sicherungsabschlag bewilligen, damit ihre Substanz erhalten bleibe: Versicherer sollten ihre Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere nicht mehr wie bisher zur Hälfte an ihre Kunden auszahlen müssen.
Stille Reserven
Diese stillen Reserven sind infolge der Niedrigstzinssätze für neue Wertpapiere erheblich gestiegen, denn alte, hochverzinste Wertpapiere erzielten erhebliche Kursgewinne an den Börsen. Versicherungskonzerne nutzen diese rechnerischen Buchgewinne allerdings meistens nicht aus. Sie halten stattdessen an ihren Wertpapieren fest bis zum Ende der Laufzeit und kassieren einfach nur die Zinsen.
Für Versicherte bedeutet der Schäuble-Nachlass: Sie müssen befürchten, für ablaufende oder gekündigte Verträge 2013 noch deutlich weniger Geld ausgezahlt zu bekommen. Genaue Zahlen wurden jedoch nicht bekannt. Angesichts der unklaren Datenlage wurde bald aus den Oppositionsparteien Kritik laut. Mitte Dezember besserte die Regierungskoalition dann ihrerseits nach: Der Spielraum für die Bewertungsreserven sollte zum 21. Dezember gedeckelt werden.
Versicherte sollten durch diese sogenannte Härtefallregelung maximal einen Abschlag von 5 Prozent in Kauf nehmen müssen, berichtete das Fachblatt Versicherungsjournal. Nach Einschätzung der Grünen handelt die Bundesregierung selbst bei ihrer geplanten Nachbesserung nur halbherzig. Notwendig sei eine Gegenleistung der Versicherungsbranche.
„Bei den Banken hat man doch auch gesagt: Wenn man sie schon retten muss, dann muss sich im Gegenzug auch etwas ändern: bessere Beratung, transparente Produkte und weniger Bonuszahlungen“, erläuterte der Finanzexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick.
Drastische Senkung
Ob die Assekuranz überhaupt Hilfe benötigt, ist jedoch durchaus umstritten. Fast alle Lebensversicherer haben die laufende Verzinsung für 2013 schon zum Teil drastisch gesenkt. Kunden erhalten daher ohnehin deutlich weniger Rendite als bisher. Dabei haben die deutschen Assekuranzunternehmen im vergangenen Geschäftsjahr über 10 Milliarden Euro Überschuss erzielt, hat Manfred Poweleit ermittelt.
Der Chefredakteur des Finanzinfodienstes MAP-Report beruft sich auf aktuelle Daten aus dem Finanzaufsichtsamt Bafin. Bafin-Präsidentin Elke König hatte schon im Sommer erklärt, dass die Ertragskraft der Lebensversicherer noch etliche Jahre ausreiche.
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