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Stille Post

Schon gehört? Der Tim Fischer soll ja letzten Samstag so süüüß gewesen sein in der Schauburg. Und warst Du überhaupt schon in „Smoke“? Und beim „Indien verstehen“-Festival in Vegesack ...? – Jaja, lieber Leser, das Problem kennen wir selbst. Soviel Kultur, sowenig Zeit. Ab heute naht Abhilfe. Um den Überblick über die vielen, netten, kleinen Veranstaltungen in der Stadt einigermaßen zu behalten, erscheint ab heute die „Stille Post“. Sie wird weiterflüstern, was jenseits der großen Spektakel so alles läuft. Kurz & knapp, jeden Mittwoch, an dieser Stelle. Ab die Post:

Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich erreicht im Europavergleich unanständig hohe Ausmaße; in der Peripherie der großen Städte werden mittlerweile in den 70er Jahren hochgezogene Wohnsilos wieder gesprengt – mitgesprengt werden soll dadurch auch die latente Wut ihrer Bewohner, stets am Köcheln gehalten durch Langeweile und Aussichtslosigkeit. In Frankreich wachsen Filmemacher heran, die mit Laien aus den Trabantenstädten rauhe, schnörkellose Filme machen. „Hass“ von Matthieu Kassovitz ist einer von ihnen. Ästhetisch ungefähr das Gegenteil der „Französischen Frau“, berichtet Kassovitz in wunderschönem Schwarz-weiß vom Leben und Sterben dreier Vorstadt-Jugendlicher. Ohne Nachsicht, ohne Rücksicht auf Breitenwirkung. Nach Hass wird Ihnen die Frage „Wohin gehen wir essen?“ im Halse stecken bleiben. (läuft ab Do. im City)

Die Geschichte von Alice im Wunderland, „Through The Looking Glass“, kommt einem beim Betrachten eines neuen Kunststücks in der Galerie Katrin Rabus in den Sinn. Eine Landkarte und eine Lupe liegen hier bereit, auf einem einsamen Tisch in der weiten Galerie, um auf Entdeckungsreise zu gehen. Jede Bewegung der Lupe läßt – mittels Videotechnik – andere Bilder auf der Landkarte erscheinen: poetische Bilder, die von Zeit, Raum und Bewegung erzählen. Die Videoinstallation des Künstlerinnenpaares Hooykaas/Stansfield macht HiTech nicht zur Hauptsache der Kunst, sondern schafft Freiräume für phantastische Reisen. (Plantage 13)

Sogar das Beste vom Besten ist in der Neuen Musik leider insiderhaft: zum Konzert von Frances Marie Uitti kam ein kleiner, aber eingeweihter Kreis. Die amerikanische Cellistin spielt mit einer unbeschreiblichen Intensität und einer inneren Bewegtheit. Uitti hat das Spiel mit zwei Bögen erfunden, was ihr eine Menge von eigens für sie geschriebenen Partituren sicherte. In ihrer Expressivität und ihrer Lust an der instrumentalen Technik vermochten Uittis eigene Stücke, auch die Musik zu dem Video von Madlon Hooykas und Elsa Stansfield, an diesem Abend in der Galerie Katrin Rabus am meisten zu überzeugen.

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