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StiftungDie Sau wird 30

Der taz hat er den ersten Computer finanziert - jetzt feiert der Fonds "Netzwerk Selbsthilfe" 30. Geburtstag. Statt um Hausbesetzungen und Feminismus geht es nun um Globalisierung und Gentrifizierung.

Die Wände der Büroräume sind voll politischer Aufkleber und Poster. Rosa Luxemburg hängt neben Aufrufen der Antifa. In den alten Holz- und Glasvitrinen im Chefzimmer einer ehemaligen Druckerei quetschen sich Ordner neben Ordner. Darin: 30 Jahre Berliner Geschichte über Hilfe zur politischen Selbsthilfe. Die Ordner gehören dem Verein "Netzwerk Selbsthilfe", der zentralen Anlaufstelle für ambitionierte linke Ideen in Berlin.

Am Sonntag feiert das Netzwerk im Mehringhof-Theater Jubiläum und blickt auf bewegte Zeiten zurück. Seit 30 Jahren unterstützt, vernetzt und finanziert der Verein politische und kulturelle Projekte, Betriebsgründungen und Initiativen aus dem linken Spektrum. Finanziert werden die Förderungen aus den Beiträgen der Mitglieder. Die deutsche Ausgabe von Indymedia, die Ufa-Fabrik oder das SO36 sind nur einige Institutionen, die ohne das Netzwerk nie entstanden wären. Auch für die taz hat das Netzwerk eine besondere Bedeutung. "Wir haben euch damals den ersten Redaktionscomputer finanziert", erinnert Klaus Eckert aus dem Beirat.

Vor dem Büro surrt eine Waschmaschine, die für das Café im Erdgeschoss wäscht. Das Netzwerk-Büro liegt mitten im Komplex des Mehringhofs, einem Zentrum für linke Kultur. Inmitten des gemütlichen Chaos stapeln sich Pappkartons mit Flyern und Aufrufen. Ehrenamtler laufen geschäftig-routiniert durch den Raum.

Gegründet wurde das Netzwerk Selbsthilfe am 23. November 1978 im Zuge neu erwachender politischer Diskussionen in Westberlin. "Der Marsch durch die Institutionen war nur zum Teil gelungen, es gab eine Verwässerung von 68 und das Bedürfnis nach einem neuen Schub", beschreibt Ralf Baumbach vom Netzwerk-Vorstand die Gründungszeit. Als Initialzündung für das Netzwerk gilt der Tunix-Kongress, bei dem Ende Januar 1978 in der TU tausende Leute zusammentrafen - ein Ereignis, das heute als Beginn der Berliner Alternativbewegung gilt. "Ursprünglich ging es beim Netzwerk darum, Leute zu unterstützen, die vom Berufsverbot betroffen waren", erzählt Eckert. "Der Verein hat sich dann aber schnell in einen Förderfonds entwickelt mit dem Ziel, solidarisch eine alternative Gesellschaft zu organisieren." Von Banken sei damals keine Unterstützung zu erwarten gewesen. "Die haben einfach alles unter Kommunismus abgestempelt."

Dem Förderfonds traten innerhalb kürzester Zeit 4.000 Mitglieder bei. Im Gründungsaufruf finden sich prominente Namen wie Rudi Dutschke, Joseph Beuys, Otto Schily, Daniel Cohn-Bendit sowie Christian Ströbele. "Alles, was damals alternativ war, ist über den Tisch von Netzwerk gegangen", sagt Ralf Baumbach. Heute sind von den 4.000 Mitgliedern nur noch 500 übrig.

In dem Mitgliederschwund sieht Vorstand Baumbach trotzdem keine negative Entwicklung. "Aus dem ursprünglichen Netzwerk haben sich schnell einzelne Initiativen ausgegründet, die sich dann auf bestimmte Themenbereiche spezialisiert haben", erklärt er. Außerdem hätten sich die Strukturen mit den Jahren immer weiter regionalisiert, in zahlreichen Städten wurden inzwischen eigene Strukturen geschaffen. "Am Anfang war alles in Westberlin zentriert - jetzt haben sich die Zeiten eben geändert."

Das Geburtstagstransparent vom 20. Geburtstag steht aber immer noch im Büro. Drauf stehen in Glitzerbuchstaben herzlichste Glückwünsche für das Netzwerk. "Wir müssen nur neue Zahlen dranmachen", grinst Eckert.

30 Jahre haben die Arbeitsweise von Netzwerk verändert. "Der Anteil der Beratungsleistung hat stark zugenommen", sagt Grabert. Viele der Förderleistungen gingen heute in die Öffentlichkeitsarbeit von Projekten. "Oft macht die Anzahl an Plakaten und Flyern einen wichtigen Unterschied in der Aufmerksamkeit, die ein Projekt bekommt, wie zuletzt das Protestplakat gegen die Schließung von Radio Multikulti." Auch das Initiativen-Büro im Mehringhof, in dem anderen Gruppen Computer und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, sei ein neuer Schwerpunkt der Arbeit. Die Themen haben sich mit der Zeit ebenfalls verändert, sagt Grabert. Früher sei es zum Beispiel um Hausbesetzungen, Feminismus und Anti-Atom gegangen, heute eher um Globalisierung, Gentrifizierung und Gender.

"Die Idee von Netzwerk ist zeitlos. Notwendigkeit, Bedarf und politische Brisanz gibt es heute immer noch", sagt Baumbach. Und so kann sich das Netzwerk nicht über zu wenig Förderanträge und Beratungstermine beklagen. 35 Projekte wurden in diesem Jahr bereits bezuschusst oder konnten auf die Strukturen des Netzwerks zurückgreifen. Weitere 70 Projekte haben die Beratungsleistung des Netzwerks in Anspruch genommen.

Für die Zukunft hat der Verein schon genügend Pläne. Es sollen mehr Seminare zu den Themen Projektentwicklung und -finanzierung veranstaltet werden. Ein Taschenkalender zum Thema "Strategien gegen rechts" ist für das kommende Jahr auch schon gedruckt. "Dass es uns so lange gibt, das ist was Besonderes", sagt Eckert "und einmal mehr Grund zum Feiern."

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