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Stiftung für fünf landeseigene Bühnen?Weg mit der Exceltabellen-Mentalität

Die Personalräte der Häuser sind bei den Gesprächen um eine eventuelle Stiftung nicht dabei. Ein Unding. Deshalb gab es Personalversammlung samt Demo.

„Wir sind viele, wir sind laut!“, hieß es Dienstag vor der Volksbühne nach der Personalversammlung aller fünf betroffenen Häuser Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Das güldene Banner an der Fassade über dem Eingang zur Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz glänzt mit der Mittagssonne um die Wette. „Die Kunst bleibt frei“ steht in Versalien darauf. Es schmückt die allererste häuser­übergreifende Personalversammlung von verschiedenen Theatern in Berlin. Der Senat, so könnte man sagen, hat sie initiiert, obwohl die Personalräte der einzelnen Häuser bei dieser Angelegenheit eigentlich außen vor bleiben sollten. Hat aber nicht geklappt.

Am Dienstagmittag diskutieren Hunderte Mit­ar­bei­te­r:in­nen von fünf landeseigenen Häusern nichts weniger als ihre Zukunft. Denn die ist in Gefahr. Darauf macht eine bunte wie lautstarke Kundgebung vor der Volksbühne mit kurzen Reden von Ver­tre­te­r:in­nen der betroffenen Häuser und solidarischen Grußadressen von Berliner Ensemble und Schaubühne und der Freien Szene aufmerksam.

Moderator Konstantin Kohl von Verdi setzte zur Begrüßung den kämpferischen Ton: „Nein zur Ausgliederung der Berliner Landesbühnen! Theater gehören den Ber­li­ne­r:in­nen und deshalb in die öffentliche Hand und nicht in die Logik der Märkte!“

Theater gehören nicht in die Logik der Märkte!

Konstantin Kohl, Verdi

Aus Fünf mach Eins: Mit dieser Formel lassen sich Bestrebungen seitens des Senats zusammenzufassen, Volksbühne, Gorki-Theater, Deutsches ­Theater, Theater an der Parkaue und Konzerthaus in eine gemeinsame Stiftung öffentlichen Rechts nach dem Vorbild der Stiftung Oper in Berlin zu überführen.

Eine Stiftung für fünf Häuser

Eine Stiftung für fünf Häuser: Das würde – analog zur Stiftung Oper – bedeuten, unter anderem die bislang autark existierenden Verwaltungen und Werkstätten zusammenzuführen. Die Vorstellung sorgt für enormen Diskussionsbedarf. Für die Versammlung der fünf betroffenen Häuser wurden die Proben für zwei Stunden unterbrochen. Eingeladen waren der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson. Letztere nahm die Einladung an.

Wegner und Wedl-Wilson führen seit einigen Wochen Gespräche mit den Intendanzen der Häuser – gewissermaßen hinter den Kulissen, denn es wurde Stillschweigen über diesen „Kulturdialog“ genannten Austausch vereinbart. Ein zweites Treffen fand dem Vernehmen nach am 11. April statt, für Mitte Juni soll die nächste Runde geplant sein. Wegner und Wedl-Wilson haben dabei die Federführung seitens des Senats übernommen, der eigentlich zuständige Kultursenator Joe Chialo (CDU) blieb außen vor.

Rechtlich gesehen müssten bei einer Umstrukturierung der landes­eigenen Theater die jeweiligen Personalräte von Anfang an mit einbezogen werden. Dies sei bislang nicht geschehen, kritisierte Daniela Ortmann vom Berliner Hauptpersonalrat, der die 130.000 Landesbeschäftigten vertritt, im Vorfeld der Versammlung. Sie überbrachte „solidarische Grüße“ und sagte, dass das Gremium beschossen hat, „eisern jede Form von Ausgründung oder Benachteiligung aller Beschäftigten zu verhindern“. Die Auskünfte der Kulturstaatssekretärin „könnten niemanden zufrieden stellen“, formulierte sie es diplomatisch – und forderte mehr Informationen ein.

Diplomatisch ist Elisabeth Zumpe nicht, die als Souffleuse an der Volksbühne arbeitet. Sie sagt: „Wir hatten einen konstruktiven Austausch, der allerdings sehr einseitig blieb. Die Kulturstaatssekretärin konnte uns nichts Konkretes sagen beziehungsweise sah auch überhaupt nicht ein, dass sie uns bisher überhaupt nicht einbezogen hat. Unsere Personalversammlung war das erste Mal, dass wir in einen Dialog gekommen sind, nichtsdestotrotz blieben all unsere Fragen mehr oder mindern unbeantwortet.“

Auch im Gorki-Theater kommen die Pläne zur Gründung einer Stiftung für die fünf landeseigenen Häuser nicht gut an Foto: Florian Boillot

„Es geht wohl eher um Kontrolle als um Sparen“

Die Idee mit der Stiftung kommt im Gorki-Theater „sehr schlecht an“, sagt Philipp Friesel vom Personalrat des Theaters am Rande der Kundgebung der taz. Vor allem die Aussicht auf Haustarife, der damit einhergehende Austritt aus dem Tarifvertrag und damit auf Lohnverzicht würden viele vor den Kopf stoßen. Auch weil die Gehälter an den landeseigenen Theater eine Orientierung für alle anderen Theater und auch die Freie Szene darstellen. „Wenn wir nach unten trudeln, trudelt auch der Rest nach unten.“ Und ob Theater mit einer Stiftung am Ende günstiger zu haben ist? „Das ist Augenwischerei“, sagt Friesel, „es geht wohl eher um Kontrolle als um Sparen.“

Die Idee mit der Stiftung kommt im Gorki sehr schlecht an, sagt Philipp Friesel vom Personalrat des Theaters

Klaus Lederer war auch da, eingeladen von Verdi. Der ehemalige Kultursenator der Linken hielt wie gewohnt eine zündende Rede (auch die längste). „Mit der Zeit, und davon bleibt uns nicht viel“, sagte er, „müssen wir ein paar mehr werden. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Politik zurückkehrt in die Haushaltsplanaufstellung des Landes Berlin“. Er forderte ein Ende der Exceltabellen-Mentalität und einen echten Dialog.

Eine alternative Rechtsform für die fünf landeseigenen Einrichtungen, weil das Land Berlin knapp bei Kasse ist. Ist das der Weisheit letzter Schluss?

Daniel Wesener hat dem widersprochen. Der Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen-Fraktion begrüßt zwar, dass der Regierende Bürgermeister mit dem Kulturdialog „einen Ausweg aus der selbst verschuldeten Krise sucht“. Doch wenn er sein Versprechen einhalten wolle, dass keine große Kultureinrichtung ihre Pforten schließen muss, führe kein Weg an einer deutlichen Reduzierung der Kürzungsvorgaben vorbei, sagte Wesener unlängst der taz.

„Keinerlei echte Einspareffekte“

Dass die CDU stattdessen eine Diskussion über die Rechtsform der landeseigenen Theaterbetriebe vom Zaun breche, sei „fachlich völlig abwegig, aber auch politisch dumm“. Denn „damit lassen sich keinerlei echte Einspareffekte erzielen, vielmehr kostet die Überführung in privatrechtlich organisierte Landesunternehmen zunächst einmal mehr Geld.“

Wesener mahnt zudem an, dass es sich bei dem betroffenen Personal um Landesbeschäftigte handelt, die ein Recht darauf hätten, „dass der Senat nicht länger nur über sie redet, sondern auch endlich mit ihnen“.

Von „Atemnot der Kunstszene in der deutschen Hauptstadt“ sprach denn auch Cécile Schortmann in der „Kulturzeit“ am Donnerstag letzter Woche einen Beitrag anmoderierend, der sich mit den Einsparungen in der Berliner Kulturlandschaft beschäftigt. Das werktägliche Kulturmagazin auf 3sat machte einen Abstecher in die Werkstätten der Volksbühne in der Thulestraße in Pankow, ein Betrieb des Landes, hier arbeiten 24 Menschen. Die Volksbühne ist berühmt für ihre oft riesigen, verrückten und meist aufwändigen Bühnenbilder. Sie sind mehr als bloße Ausstattung, sie sind „elementarer Bestandteil des Gesamtkunstwerkes“ heißt es ganz richtig in dem Beitrag.

Zu Wort kommt auch der Leiter der Werkstatt, Stefan Möllers, der natürlich am liebsten autonom bleiben möchte, zum Sparen aber bereit ist. „Wir sind Teil des Hauses, ganz und gar“, sagt er, „ein Teil des Organismus.“ Die Volksbühne ohne die eigene Werkstatt? Das wäre für das Haus „eine schmerzhafte, deutliche Amputation“.

Matthias Lilienthal sieht das auch so und hat Vorschläge für Einspareffekte parat. Er könnte sich vorstellen, sagt er in dem TV-Beitrag, die Struktur zu verschlanken, über das Einwerben von Drittmitteln nachzudenken, über Sponsoring, und auch über einen das Theater unterstützenden Förderverein.

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