Stichwahl in Zypern: Ex-Diplomat gegen Ex-Diplomat
Zypern wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten – der dort faktisch Alleinherrscher ist. Es stehen sich ein Linker und ein Konservativer gegenüber.
Am vergangenen Wochenende fand die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Bereits am vorigen Dienstag, gerade 48 Stunden nach seiner empfindlichen Wahlschlappe, kündigte der Disy-Chef und Präsidentschaftskandidat Averof Neofytou nach einer Dringlichkeitssitzung des Parteibüros an, dass bald ein Parteikongress abgehalten werde.
Etwa 26 Prozent der Stimmen hatte Neofytou am letzten Sonntag im ersten Wahlgang erhalten. Er ist ein Vertreter der alten Disy-Garde und hat den Vorsitz der größten Partei des Landes von Amtsinhaber Anastasiadis übernommen. Das reichte nur für Platz drei. In die Stichwahl gehen hingegen der ehemalige Außenminister und Ex-Diplomat Nikos Christodoulidis mit 32 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang sowie der Zweitplatzierte Andreas Mavrogiannis von der linken Akel-Partei mit etwas über 29 Prozent. Mavrogiannis schnitt dabei weit besser ab, als die meisten Umfragen vorausgesagt hatten.
Brisant: Der rechtsextreme Christos Christou von der offen fremdenfeindlichen Partei Elam konnte sich auf Platz vier, mit etwa 6 Prozent der Stimmen schieben. Es folgten, weit abgeschlagen, die übrigen zehn Kandidaten.
Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person
Der Präsident der Republik Zypern ist faktisch ein Alleinherrscher auf Zeit auf der Insel der Aphrodite. Er ist Staatsoberhaupt und Regierungschef in einer Person, und er bestimmt die Minister. Als Favorit für die Stichwahl gilt Nikos Christodoulidis. Der 49-jährige gelernte Diplomat verspricht einen entschiedenen Kampf gegen die in der Ära Anastasiadis, der seit 2013 Präsident ist, grassierende Korruption und Vetternwirtschaft. Er verspricht außerdem liberale Reformen sowie eine stärkere Digitalisierung des Staats.
Um die Präsidentenkür mit mindestens 50 Prozent plus einer Stimme zu gewinnen, braucht Christodoulidis noch einen Gutteil just jener Stimmen, die in Runde eins noch für Neofytou votierten. Das ist keineswegs sicher. Denn viele Disy-Anhänger sind über den „Verräter“ Christodoulidis verärgert. Der gehörte eigentlich zur Disy, gab aber letztlich seine Kandidatur als formal Unabhängiger bekannt. Er wird auf einer breiten Basis von vier Parteien – der sozialdemokratischen Edek, der zentralistischen Diko, der liberalen Dipa sowie der konservativen Partei Solidarität – unterstützt.
Ferner belasten ihn hohe Wellen schlagende Enthüllungen, wonach er mutmaßliche Fake-Konten auf Facebook und Twitter schaffen ließ, um so politische Kontrahenten und Medienschaffende anzugreifen. Christodoulidis weist diese Vorwürfe energisch zurück. Fest steht: Disy schloss ihn im Januar aus ihren Reihen aus.
Sein Widersacher in der Stichwahl, Mavrogiannis, ist wie er ein Karrierediplomat. Der heute 66-Jährige war Ständiger Vertreter Zyperns bei den Vereinten Nationen (UN). Er wird von der auf Zypern traditionell starken Akel-Partei unterstützt, eine Weiterentwicklung der Kommunistischen Partei Zyperns, die im EU-Parlament der Europäischen Linken angehört. Profitieren könnte Mavrogiannis im Kampf um das Präsidentenamt womöglich von der sich fortsetzenden Zerstrittenheit der Disy. Das Disy-Parteibüro konnte sich am Dienstag nicht auf die Unterstützung des abtrünnigen Christodoulidis in der Stichwahl einigen.
Ein Land seit 1974 de facto geteilt
Zypern ist seit der völkerrechtswidrigen Invasion türkischer Truppen in den Norden der Insel im Jahr 1974 de facto geteilt. Der Nordteil firmiert unter dem Namen Türkische Republik Nordzypern, wird aber nur von der Türkei anerkannt. Seit Mai 2004 ist die Republik Zypern EU-Mitglied, seit 2008 zählt sie zur Eurozone. 2013 geriet Zypern in eine schwere Bankenkrise, konnte sich aber rasch erholen.
Die Teilung des Landes bleibt das dominierende politische Thema in Nikosia. Sowohl Christodoulidis als auch Mavrogiannis wollen den bisher fruchtlosen, derweil auf Eis gelegten Verhandlungen zwischen der Republik Zypern und Vertretern des Inselnordens neuen Auftrieb verleihen. Beide lehnen eine Zweistaatenlösung ab.
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