Steuerstreit Deutschland und Schweiz: Krieger gegen Krämer
Politik, Medien und Parteien in Deutschland und der Schweiz liefern die quasireligiöse Liturgie zum Kult ums helvetische Allerheiligste: das Bankgeheimnis.
Früher verging den Bürgerinnen und Bürgern das Lachen schnell, wenn sich Staaten und deren Häuptlinge in die Haare gerieten. Otto von Bismarck fingerte im Sommer 1870 an der Emser Depesche herum, Napoleon III. war beleidigt, sechs Tage später ging es für beide Seiten in den Kampf. So zügig wurde aus dem Frieden Krieg.
Heute ist die Drohung mit der Mobilisierung der „Kavallerie“ gegen die Schweiz (Peer Steinbrück) nur noch eine Kabaretteinlage. Die Bundeswehr hat gar keine Kavallerie und wäre nicht in der Lage, sie einzusetzen, weil „unsere“ Männer „unsere“ Freiheit am Hindukusch verteidigen.
Im Verbalkrieg zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik geht es nicht um Freiheit, sondern um Geld, genauer Steuerbetrug. Die Schweizer Großbanken betreiben unter dem Namen „Bankgeheimnis“ seit 1932 ein ebenso lukratives wie kriminelles Geschäftsmodell mit Steuerbetrügern.
Politik, Medien und Parteien liefern die quasireligiöse Liturgie zum Kult ums helvetische Allerheiligste – das Bankgeheimnis. Die Zahl der Staaten, die sich mit diesem Geschäftsmodell und diesem Kult abzufinden bereit sind, nimmt rapide ab. Die Staaten haben zwei Möglichkeiten, sich gegen die eigenen Steuerbetrüger zu wehren.
Die erste Methode ist die texanisch-mexikanische, wie man sie aus dem Western kennt. Wo eine Staatsmacht und Gesetze zur Durchsetzung von Recht fehlen, ist der starke Mann gefragt, der auf eigene Faust handelt. Da den Amerikanern die Schweizer Hinhaltetaktik in Sachen Steuerbetrug zu bunt wurde, drohten sie der Schweiz vor drei Jahren an, den helvetischen Banken in den USA die Lizenz zu entziehen, falls diese nicht sofort die Daten amerikanischer Steuerbetrüger herausrückten. Die Methode erwies sich als wirksam. Die Schweiz gab nach und seither gilt das „Bankgeheimnis“ für amerikanische Guthaben in der Schweiz nicht mehr.
Daten von Dieben
Die Bundesrepublik entschied sich für die zweite Methode – sie kaufte gestohlene Bankdaten von mutmaßlichen deutschen Steuerbetrügern. Das Bundesverfassungsgericht segnete im November 2010 den Kauf ab, was die selbstgerechten Schweizer zuerst aufregte und dann zur moralischen Entdeckung führte, der deutsche Staat kaufe Daten von Dieben.
Zur zweiten Methode gehört, dass die BRD mit der Schweiz verhandelte. Sie möchte mit Bern ein Abkommen, das eine lächerlich milde Nachbesteuerung der deutschen Steuerbetrüger vorsieht sowie den Verzicht auf Datenkäufe in der Zukunft. Grüne, Linke und Sozialdemokraten sowie sozialdemokratische Länderregierungen wollen diesen Deal nicht akzeptieren, der einer Teilamnestie für Steuerbetrüger gleicht.
Charme eines Westerns
Die Schweiz revanchierte sich mit einem Griff ins texanisch-mexikanische Repertoire: Sie erließ Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder, die Daten deutscher Steuerbetrüger kauften. Wenn sich Berlin ebenfalls auf diesen Weg begibt, blühen muntere Tage: Morgen schon werden Josef Ackermann und alle andern Schweizer Banker in Frankfurt und Berlin präventiv eingebuchtet. Damit bekäme der Streit den Charme eines Westerns ganz ohne Pistolen und Kavallerie.
Die Schweiz muss sich langsam überlegen, wie sie den Streit um die Steuerbetrüger nach dem alttestamentarischen Prinzip des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ (3. Moses 24, 19–20) handhabt, ohne den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt.
Das Ende des „Bankgeheimnisses“ und des damit verbundenen kriminellen Geschäftsmodells ist absehbar geworden. Christoph Blocher (SVP) – einer der Priester der Religion rund um das Bankgeheimnis – wartet auf ein strafrechtliches Verfahren, weil er zusammen mit der Weltwoche den Schweizer Nationalbankpräsidenten zum Rücktritt zwang und dabei – mit der landesüblichen Doppelmoral – das Bankgeheimnis missachtete. Wenn schon die Priester zu Ketzern werden, geht’s mit der Religion bergab.
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