: Steuerfreier Rechtsfreiraum
Ein Bürger, Steuerzahler und FDP-Politiker hat „ein bißchen recherchiert“ und schmutzige Toiletten in der Roten Flora entdeckt ■ Von Ulrike Winkelmann
Manche Männer haben noch Missionen. Rainer Lettow zum Beispiel. Er hat beschlossen, der Ungerechtigkeit im Gastronomiegewerbe ein Ende zu setzen und deshalb einen Brief an das Bezirksamt Altona geschrieben, in dem er die „Rote Flora“ als „rechtsfreien Raum“ anprangert.
Die Einnahmen des Stadtteilzentrums aus Partys und anderen Veranstaltungen würden nicht versteuert, überdies betreibe die Flora nicht-konzessionierte Gastronomie. Die sanitären Anlagen seien ein Graus, und insgesamt sei das Gebäude nicht sicher, sagt Lettow. All dies stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Betrieben dar, die einiges an Auflagen zu erfüllen hätten.
„Ich habe ein bißchen recherchiert“, ist der Kaufmann aus Eimsbüttel stolz, die Herkunft seiner bislang streng geheimen Informationen preiszugeben. Er habe sich in das etwas angeschlagene Gemäuer am Schulterblatt hineingewagt, und dort sei ihm gesagt worden, daß die Rote Flora ein „Freiraum“ sei. Daß dieser Freiraum derzeit nach dem Brandschaden des vergangenen Jahres ohnehin renoviert und die Volxküche deshalb seit Wochen nicht betrieben wird, interessiert ihn nicht: „Es geht um einen sechsjährigen Mißstand.“
Allerdings kämpft Lettow nicht allein. Obwohl er den Brief „als Bürger und Steuerzahler“ geschrieben habe, gibt er zu, einen „politischen Hintergrund“ zu haben: Er sei Kreisvorsitzender der FDP im Bezirk Mitte. Bis zum Ende des Monats wolle er dem Bezirk Altona nun Zeit geben, auf seine Eingabe zu reagieren. Für den Fall, daß der Bezirk Altona sich weiter vor die Flora stelle, so kündigte Lettow an, habe ein SPD-Fraktionsmitglied ihm versprochen, in der Sache eine Anfrage in der Bürgerschaft zu stellen.
Der Bezirk zeigt sich von Lettows Muskelspiel nicht übermäßig beeindruckt. „Das Schreiben wird dem neuen Bezirksamtsleiter vorgelegt werden“, erklärt Manfred Michaelis aus dem Verwaltungsamt. Der neue Altonaer Bürgermeister, Dr. Uwe Hornauer, tritt seinen Posten am 15. August an. Selbstverständlich habe die stellvertretende Bezirksamtsleitung schon über die Eingabe beraten, sagt Michaelis, aber da die Flora „Chefsache“ sei, werde Hornauer persönlich „politische Gespräche“ mit den FloristInnen aufnehmen.
Altonas Grüne und SozialdemokratInnen wissen noch gar nichts von dem Vorstoß des steuerzahlenden Bürgers. Brigitte Meyer, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Altona, winkt ab: „Ein Stück Sommertheater“. Auch Bernd Meyer, Pressesprecher der Stadtentwicklungsbehörde, verweist wie in allen Flora-Geschichten auf das Bezirksamt. Auch einer Anfrage in der Bürgerschaft mißt er nicht viel Bedeutung bei: „Ein Sturm im Wasserglas.“
Apropos Steuern: Die Rote Flora weist darauf hin, daß Spenden an den Verein Flora e.V. steuerlich absetzbar sind: Kontonummer 294 92-202, Postgiro Hamburg, BLZ 200 100 20.
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