Steueraufkommen in Deutschland: Reiche zahlen die meisten Steuern
Das reichste Viertel der Steuerpflichtigen kommt für 80 Prozent der Einkommensteuer auf. Vom Spitzensteuersatz sind sie aber weit entfernt
BERLIN taz Eine Minderheit der Bürger kommt in Deutschland für den Großteil der Einkommensteuer auf. So zahlten die obersten 26,8 Prozent der Steuerpflichtigen 79,6 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Zu diesem obersten Viertel zählt schon, wer über ein Jahreseinkommen von mehr als 37.500 Euro verfügt.
Umgekehrt trug die untere Hälfte der Einkommensbezieher fast gar nichts zum Steueraufkommen bei: Sie zahlten ganze 4,3 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer. Allerdings verfügt diese Gruppe auch nur über ein Jahreseinkommen von weniger als 23.000 Euro.
Die Zahlen stammen von 2004 - denn zunächst musste die zeitaufwändige Arbeit der Finanzämter abgeschlossen sein, bevor sich die Statistiker an die Auswertung machen konnten.
Das Jahr 2004 war allerdings insofern besonders, als damals die elektronische Lohnsteuerbescheinigung eingeführt wurde. Nun konnten erstmals die Einkünfte der sogenannten "nichtveranlagten Lohnsteuerzahler" weitgehend erfasst werden. Meist handelt es sich dabei um Bezieher relativ niedriger Einkommen. Dabei zeigt sich: 28,8 Prozent aller Steuerpflichtigen hatten 2004 nur ein Jahreseinkommen von maximal 10.000 Euro. Damit lagen sie kaum über dem Grundfreibetrag und diese geringen Einkünfte waren daher zum größten Teil steuerfrei.
Aber auch bei den Spitzenverdienern lassen sich deutliche Unterschiede erkennen: 2004 wurden genau 9.688 "Euro-Millionäre" gezählt, die es auf ein Durchschnittseinkommen von 2,7 Millionen Euro brachten. Darauf zahlten sie im Schnitt 968.000 Euro an Einkommensteuer - was einem Durchschnittssteuersatz von 35,8 Prozent entspricht. Selbst Millionäre zahlen also keineswegs den Spitzensteuersatz von 42 Prozent, weil sie einen großen Teil ihres Einkommens steuerfrei absetzen können. Diese Erkenntnis deckt sich mit einer Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Februar veröffentlichte. Dort hatte man die 450 Deutschen mit dem höchsten Einkommen untersucht - und herausgefunden, dass sie 2002 durchschnittlich 34 Prozent Einkommensteuer gezahlt hatten.
Auch in den Einkommensklassen darunter gilt, dass die Durchschnittssteuersätze gering ausfallen. Wer etwa über ein Jahreseinkommen von 37.500 bis 50.000 Euro verfügt, zahlt darauf rund 18 Prozent Steuern.
Insgesamt gab es 2004 rund 35 Millionen Steuerpflichtige - bei etwa 82 Millionen Einwohnern. Eine Erklärung: Ehepaare werden häufig als nur ein Steuerpflichtiger gezählt. Insgesamt brachte die Lohn- und Einkommensteuer 180,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Auf die Mehrwertsteuer entfielen 2004 rund 137 Milliarden Euro.
ULRIKE HERRMANN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag