Sternerestaurant Nobelhart & Schmutzig : Ein politischer Restaurantbesuch?
Ein Interview mit Chefkoch Micha Schäfer und Friederike Gaedke, Leiterin von Die Gemeinschaft e. V.

Von AARON GEBLER
taz am Wochenende: Sie bezeichnen sich selbst als das politischste Restaurant Deutschlands. Was konkret macht den Besuch im Nobelhart politisch?
Micha Schäfer: Weil Essen politisch ist. Man kann nicht essen, ohne eine wirtschaftspolitische Aussage damit zu treffen. Egal, wo man sein Geld für Essen reinsteckt, da geht das Geld hin und die Landwirtschaft wird damit gefördert.
Friederike Gaedke: Außerdem engagiert sich das Nobelhart gemeinnützig, indem es Mitgründer des Vereins Die Gemeinschaft ist, der sich für bessere Landwirtschaft und auch gesellschaftliche Themen einsetzt.
Sollte also jeder Mensch grundsätzlich den Anspruch haben, dass er das Essen als etwas Politisches begreift?
MS: Nein. Es ist ein Luxus, das machen zu können. Aber wenn man diesen Luxus hat, dann sollte man das nutzen. Das ist auch eine Sache der Verantwortung!
Wer gehört zu Ihren Produzenten:innen und nach welchen Kriterien suchen Sie diese aus?
MS: Zunächst muss da ein Austausch da sein, eine Idee, dass man zusammen in die Zukunft geht und sich gemeinsam entwickelt. Ich fahre immer raus zu unseren Produzenten:innen und schaue, was die machen. Es gibt jedes Mal ein Kennenlernen und Ausprobieren von einem halben Jahr, um zu sehen, ob das funktionieren kann. Wie das so ist mit Menschen und Betrieben. Das ist auch nie verpflichtend, sondern eine Zusammenarbeit.
FG: Wir sind kein Verein, der sagt, nur biozertifizierte Betriebe dürfen bei uns mitmachen. Das Lebensmittelsystem ist sehr intransparent und deswegen helfen persönliche Beziehungen, also Gespräche mit den Landwirt:innen, um zu verstehen, wie und warum sie bestimmte Dinge tun. Gerade erarbeiten wir einen Kriterienkatalog, der die Neuaufnahme von Mitgliedern regeln wird.
Sie sagen, dass ein ganz zentrales Kriterium beim Einkauf Ihrer Lebensmittel „brutal lokal“ lautet. Was heißt das konkret?
MS: Es geht nicht um Kilometer, sondern darum, wie häufig man den Menschen sieht, wie leicht die Kommunikation ist, aber auch, wie der Weg in die Stadt ist.
Bringen Sie mit Ihrer Philosophie Menschen dazu, nicht nur bei Ihnen im Restaurant, sondern auch zu Hause ihren Lebensmittelkonsum umzustellen?
MS: Ich hoffe es. Alles was wir kochen, ist normalerweise relativ überschaubar von den Techniken. Und wenn man sich ein bisschen reinfuchst, kann man das zu Hause kopieren. Ob die Leute das dann tun, ist eine andere Sache.
FG: Ich glaube, dass ein Besuch im Nobelhart Einfluss auf die Gäste hat, indem sie inspiriert werden und beim nächsten Mal, wenn sie einen Kohlrabi einkaufen, wissen, was man damit alles machen kann. Aber die viel größere Bedeutung von Restaurants ist die Vorbildfunktion auf lange Sicht.
In Ihrem Onlineshop verkaufen Sie 250 Gramm Butter für 18 Euro. Das könnte suggerieren, dass hochwertige und nachhaltige Produkte grundsätzlich teuer sein müssen. Muss ein Stück Butter tatsächlich 18 Euro kosten, damit alle, die daran beteiligt sind, genug Geld verdienen?
MS: Nein. Aber 2,20 Euro, wie im Supermarkt, reichen auch nicht. Der Grund dafür, dass diese Butter so viel kostet, ist, dass sie eine so hohe Qualität hat, dass man schmeckt, von welchem Hof sie kommt. Das ist also nicht nur nachhaltig, sondern auch einzigartig und das rechtfertigt den Preis.
FG: Und man muss dazu sagen, dass die ganz normale Rewe-Butter sehr stark staatlich subventioniert ist. Die kostet eigentlich auch einen anderen Preis. Diese Butter ist aber tatsächlich ein sehr spezielles Luxusprodukt. Das heißt allerdings nicht, dass nachhaltige Produkte immer Luxusgüter sein müssen.
Hinweis: Das Interview wurde vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine geführt.
Micha Schäfer und Friederike Gaedke auf dem taz lab: „Politischer Restaurantbesuch“, im Leuchtturm, 16 Uhr