Sterne-Sänger Frank Spilker singt solo: "Ich stehe lieber vor der Bar"
Frank Spilker hat sein ersten Solo-Album herausgebracht. Der Sterne-Sänger über das Texten mit holprigem Schulenglisch und warum Oscar Wilde schuld ist an seinem Seelenzustand.
taz: Sie haben sich musikalisch ausgetobt auf Ihrem Solo-Album: Mal Indie-Rock, mal Beatlastiges, ein Song der nach analogem Techno klingt, Chanson-Musik. Ist das Nachholbedarf oder ein Anzeichen einer musikalischen Midlife-Crisis?
Frank Spilker: Ich würde beides bejahen. Krisen sehe ich in künstlerischer Hinsicht immer als Inspiration. Das Experimentierfeld Solo-Platte hat natürlich einen breiteren Rahmen, als eine Band. Selbst wenn ich bei den Sternen das Gefühl hatte: Das ist jetzt mal ganz breit angelegt, dann war das am Ende immer noch viel enger und viel mehr Sterne - wir hatten ja unseren Sound schon gefunden.
Und dann haben Sie sich gedacht: Jetzt mach ich mal ein Album, auf das ich alle meine musikalischen Vorlieben packe?
Da gab es weniger den Gedanken, als das Gefühl dazu. Überlegt habe ich mir eigentlich was anderes. Aber der emotionale Impuls sagt dann plötzlich: Hey, probier doch das noch mal aus! Da kamen dann Ideen zum Vorschein, die über Jahre vergraben waren.
Warum haben Sie diese Ideen nicht mit Ihrer Band Die Sterne umgesetzt?
Es wird auch ein neues Album mit den Sternen geben. Aber durch die Soloarbeit hab ich einfach ein bisschen den Druck aus der Situation rausgenommen. Diesen Gedanken, dass ich alle meine Ideen mit den Sternen realisieren muss. Ich habe jetzt quasi noch eine zweite Identität, mit der ich Sachen machen kann, die bei den Sternen erst diskutiert werden müssten.
Wie der Song "Der Mond und ich", den haben Sie ja schon 1987 geschrieben. Warum nehmen Sie den eigentlich erst jetzt auf?
Das ist ein Song, den ich früher ganz oft gespielt habe. Mit und ohne Band. Ein Song, den man gut alleine spielen kann, weil er nicht so abhängig ist von der Bandinstrumentierung. Leider ist der nie in einer vernünftigen Form aufgenommen worden. Das gehört jetzt auch zum Soloprojekt. Ich erlaube mir sowas jetzt einfach mal.
Sind Sie auf dem Weg zur absoluten Selbstentfaltung?
Ja, ja, natürlich. Ich finde dieses starre Bandkonzept altmodisch. Das hat nicht unbedingt immer künstlerlische Gründe, sondern mehr praktische. Man steckt in einer Routine mit Touren und Plattenaufnahmen - und wählt dadurch immer diese Bandform. Ich finde es gut, noch eine zweite Identität neben den Sternen zu haben und die auch weiterzuentwickeln, vielleicht noch wo ganz anders hin.
Gehört dazu auch, dass Sie jetzt plötzlich auf Englisch singen?
Ich habe einfach nicht die Einschränkung gehabt. Es zwingt mich ja keiner auf Deutsch zu singen. Ich finde auch gar nicht, dass das so unterschiedlich ist. Meine Art, Texte zu singen ist im Englischen ähnlich und ich hab auch bewusst versucht, da keine andere Identität anzunehmen. Das ist halt mein Schulenglisch und meine Ausdrucksweise. Ich find's eigentlich relativ normal, wie das so rauskommt.
Trotzdem sind die englischen Texte simpler. Hatten Sie nicht auch ein bisschen Angst, dass jemand sagt: Grässlich, jetzt ist er nicht nur solo unterwegs, jetzt singt er auch noch in schlechtem Englisch!
Ich freue mich, wenn sich Leute darüber aufregen. Wenn sie sagen: Ey, ist das holprig. Ich finde es viel unangenehmer, wenn man versucht, seinen Akzent zu vertuschen oder, wenn man sich sehr verschrobene Formulierungen aussucht. Es ist wichtig, sagen zu können, okay, das ist mein Akzent oder meine Art mich im Englischen auszudrücken...
...was dann manchmal simpel klingt.
Es gibt so eine Art International English oder European Englisch, was man nicht mit einem Briten spricht, sondern mit einem Polen oder Franzosen, der im Zweifelsfall noch schlechter Englisch spricht. Das ist ein Idiom, das im Entstehen begriffen ist und dass seine Berechtigung hat. Das ist auch so mein Hintergedanke, warum ich das mache.
Was von den Sternen bleibt, ist der Hang zum Zynismus und diese immanente Traurigkeit der Songs. Warum haben Sie bei Ihrem Solo-Projekt nicht einfach mal das Ego rausgekehrt und gesagt: Hey, ich bin da, alles super!
Das ist eben mein Ich oder meine Identität oder meine Art, mich auszudrücken. Genau das ist auch der Pferdefuß von dem Solo-Projekt. Wenn man der Sänger einer Band ist, dann nimmt das Ganze sehr viel Identität von einem selbst an.
Aber muss es wirklich immer so negativ sein? Sie singen "Ich geh' gebückt", obwohl Sie als etablierter Popstar allen Grund dazu haben, die Nase hochzuhalten.
Diese Art zu schreiben gehört einfach zu mir, wie eine zweite Haut. Ich kann nicht wie ein Lohnschreiber von hier nach da wechseln. In einem künstlerischen Zusammenhang muss man das, was man macht, so gut wie möglich machen, weil man in Konkurrenz zu so vielen anderen Leuten steht, die auch interessante Sachen zu erzählen haben. Insofern geht es für mich nicht darum, auf sprachlicher Ebene viele verschiedene Identitäten zu entwickeln, sondern das, was ich besonders gut kann, besonders gut zu vermitteln. Und das tue ich in beiden Bands, weil mir nichts anderes übrig bleibt.
Das heisst, Sie sind ein trauriger Mensch?
Ich bin beeinflusst, glaube ich, oder beeindruckt von einer bestimmten Schreibkultur, die bei Shakespeare anfängt, von Oscar Wilde bis Dashiell Hammett geht. Es gibt da einen ganzen Katalog von Autoren, die Traurigkeit mit Humor und Drastik mischen. Und die sind Schuld, dass ich das bin, was ich repräsentiere. Für mich ist Humor ohne eine gewisse Traurigkeit, ohne seine Wurzeln in der Dramatik irrelevant. Ich muss immer beides miteinander verbinden.
Der erste Song auf Ihrer Platte hat den Titel: "Ich steh' heute auch mal hinter der Bar". Kann ich bald bei Ihnen mein Bier bestellen?
Nee, ich stehe lieber vor der Bar.
INTERVIEW: ALEXANDRA EUL, MITARBEIT: JULIAN HEIßLER
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