: Stellt Modrow Vertrauensfrage?
■ Heutige Volkskammersitzung mit Spannung erwartet / CDU und LDPD bleiben bis 6.Mai in Regierung / Demos angekündigt
Ost-Berlin (dpa) - Vor dem Hintergrund anhaltender Spannungen zwischen dem SED-Ministerpräsidenten Hans Modrow und seinen Koalitionspartnern CDU und LDPD kommt die Volkskammer heute in Ost-Berlin zusammen. Modrow will eine wichtige Regierungserklärung abgeben. Darin könnte auch die Ankündigung einer Volksabstimmung über seine Weiterarbeit als Ministerpräsident enthalten sein, falls die Koalitionspartner nicht bereit seien, die Regierungsarbeit mit der SED-PDS fortzusetzen.
Dieses Vorgehen habe Modrow den früheren Blockparteien bereits in der letzen Woche für den Fall des Koalitionsbruchs angekündigt, sagte ein CDU-Sprecher. Das sei ein wesentlicher Grund für seine Partei, trotz erheblicher Kritik von der Basis in der Regierung zu bleiben. Es sei abzusehen, daß Modrow bei einer Volksabstimmung eine Mehrheit erzielen würde, da viele Menschen Chaos und Anarchie befürchteten.
So bestätigt, würden auch die Wahlaussichten der SED-PDS mit ihrem Spitzenkandidaten Modrow am 6.Mai erheblich steigen. Außerdem trage die CDU Mitverantwortung für die Regierbarkeit des Landes. Ähnlich wurde bei der LDPD argumentiert, die ebenfalls bis zu den Wahlen in der Regierung bleiben will. Die SDP hat verlangt, daß Modrow seine Pläne dem runden Tisch vorlegt. Die Sozialdemokraten und andere Oppositionsgruppen bekräftigten, daß das Modrow -Kabinett „nur provisorisch und nicht vom Volk legitimiert ist“. Die Volkskammer kann die Durchführung von Volksabstimmungen beschließen. Die SED-Mitglieder haben in dem Parlament die Mehrheit. Es ist allerdings nicht sicher, daß alle einem solchen Vorgehen Modrows folgen würden.
Auf der Tagesordnung der Volkskammer steht neben der Regierungserklärung Modrows eine Reihe brisanter Themen, darunter einige umstrittene Verfassungs- und Gesetzesänderungen.
Erstmals werden Vertreter der außerparlamentarischen Oppositionsgruppen vom runden Tisch an der Sitzung teilnehmen. Turbulenzen werden auch außerhalb des Palastes der Republik erwartet. Mit einer Menschenkette um das Parlamentsgebäude will die Opposition am Ende des ersten Sitzungstages gegen die ungeschmälerte Machtposition der SED -PDS und für freien Zugang zu den Medien demonstrieren.
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