: Stellenschieberei ausgesetzt, aber nicht ausgesessen
■ Einen Monat hat sich die „Senatskommission“ bereits Zeit gelassen, um den Fall „Griesche“ zu überprüfen
Detlev Griesche, Professor in spe, mit besonderer Qualifikation
Auf den Tag genau einen Monat ist es her, daß die Oppositionsparteien in der Bremischen Bürgerschaft die „Merkwürdigkeiten“ rund um die neue Professur „Politikwissenschaft“ an der „Hochschule für Öffentliche Verwaltung“ angeprangert haben. Genau ein Monat ist damit auch ins Land gegangen, seitdem die Behörde des Senators Claus Grobecker das umstrittene Berufungsverfahren „ausgesetzt“ hat und „prüft“. Die größte Merkwürdigkeit in diesem von der taz nachrecherchierten Berufungsverfah
ren: Der SPD-Finanzsenator Claus Grobecker hatte dem „lieben Detlef“, dem SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Detlef Griesche, brieflich eine Professur an der Hochschule angeboten — und zwei Jahre später hatte eine Berufungskommission hatte den „lieben Detlef“ als einzigen Bewerber für diese Stelle empfohlen.
Das Bekanntwerden dieses Briefes hatte nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch den Vorsitzenden der Berufungskommission, Prof. Dr. Friedrich Lehmann, zum Nachdenken ge
bracht. Gegenüber der taz sagte Prof. Lehmann: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß das Verfahren in der Berufungskommission reibungslos gelaufen wäre, wenn uns der Brief bekannt gewesen wäre.“
Nicht ins Nachdenken gekommen durch das Veröffentlichen des Briefes ist dagegen Helmut Dücker, Senatsdirektor bei der Behörde, der die Hochschule untersteht — bei der „Senatskommission für das Personalwesen“. Die Formulierung seines Doppelsenators in dem besagten Brief — „Dir biete ich an Hochschullehrer zu werden“ — sei lediglich gemeint gewesen als „Tip, sich zu bewerben“. Dücker zur taz: „Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens habe ich nach wie vor nicht.“ Helmut Dücker hatte jedoch — wenn auch ohne Unrechtsbewußtsein — im Anschluß an die Bürgerschaftssitzung veranlaßt, das Berufungsverfahren auszusetzen.
Hintergrund für diese Maßnahme: Die zurückgesetzte Mitbewerberin des Detlef Griesche, eine promovierte Mitarbeiterin der Gleichstellungsstelle, hatte beim Verwaltungsgericht ein Eilverfahren beantragt. Prof. Lehmann: „Um zu verhindern, daß das Gericht uns anweist, das Verfahren zu stoppen, halten wir es von uns aus an.“ Da durch diesen Schachzug die Eilbedürftigkeit weggefallen war, sah sich der Rechtsanwalt der abgelehnten Bewerberin, Tilo Winter, denn auch gezwungen, den Eil-Antrag wieder zurück zu nehmen.
Widerspruchsverfahren der Mitbewerberin läuft
Der Anwalt beschritt statt dessen einen zweiten Rechtsweg: Dagegen, daß die Berufungskommission seine Mandantin, schon im Vorfeld abgelehnt hatte, legte er Widerspruch ein. Drei Monate Zeit hat die „Senatskommission“, über diesen Widerspruch zu befinden. Am 6. Mai läuft die Frist ab. Senatsdirektor Helmut Dücker: „Das ist eine fachlich nicht ganz einfache Prüfung.“
Drei Möglichkeiten hat die „Senatskommission“ (SKP), binnen dieser Frist auf den Widerspruch der abgelehnten Bewerberin zu reagieren.
Möglichkeit Nr. 1: Die SKP veranlaßt das, was FDP und Grüne schon vor einem Monat gefordert haben, um den „Geruch des Filzes“ wegzunehmen: Die Stelle wird neu und diesmal überregional ausgeschrieben. Der nicht-promovierte Abgeordnete Griesche hätte angesichts der sich dann abzeichnenden Konkurrenzsituation jedoch nur noch wenig Aussichten, Hochschul-Professor zu werden.
Zweite Variante: Die „SKP“ gäbe dem Widerspruch der abgelehnten Bewerberin statt und wiese die Berufungskommission an, auch ihr die Möglichkeit zu geben, sich in der Hochschule vorzustellen und eine Probevorlesung zu halten. Mit einer solchen Entscheidung würden zwar ebenfalls Verfahrensfehler eingeräumt, doch könnte die Berufungskommission bei dieser Variante vergleichsweise „elegant“ erneut zu dem Entschluß kommen, Detlef Griesche sei der geeignetere Kandidat. Mit dem geltenden Gesetz zur Frauen-Gleichstellung hätte das allerdings wiederum wenig zu tun.
Variante drei: Die „SKP“ befindet das Verfahren als völlig rechtens und weist die Hochschule an, es wie gehabt weiterzuführen. In diesem Fall droht der „Senatskommission“ sofort wieder ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht seitens der unterlegenen, aber qualifizierten Mitbewerberin. „Wie es auch kommt, es wird schwierig für die SKP“, freut sich Rechtsanwalt Tilo Winter.
Gerichtsverfahren könnte ein Jahr dauern
Bei einer „Hauptsach-Entscheidung“ des Gerichts könne sich das Verfahren Griesche „noch gut und gerne ein Jahr lang“ hinziehen, schätzt denn auch der Vorsitzende der Berufungskommission, Dr. Friedrich Lehmann. Lehmann zu taz: „Aber bei dieser Stelle trifft uns das nicht so, wenn das etwas länger dauert.“ Schließlich habe die Stelle „Politikwissenschaft“ für die Hochschule noch nie „erste Priorität“ gehabt.
Barbara Debus
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