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Steinmeier besucht PolenRetten, was noch zu retten ist

Der Bundespräsident kommt nach Warschau. Anlass ist der Vertrag über gute Nachbarschaft. Doch politisch kriselt es, nicht nur wegen Nord Stream 2.

Reist nach Polen, um den Geist des Vertrags zu retten: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Warschau taz | „Wozu eigentlich kommt Bundespräsident Steinmeier nach Polen“, fragt Bartosz Wieliński, einer der stellvertretenden Chefredakteure der Gazeta Wyborcza und ihr ehemaliger Korrespondent in Berlin. „Will er zeigen, dass er Klasse hat?“

Konkreter Anlass der Visite des deutschen Bundespräsidenten in der Hauptstadt Warschau ist ein Jahrestag. Dieses Mal geht es um den „Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“, der am 17. Juni 1991 vom damaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem polnischen Premier Jan Krzysztof Bielecki in Bonn unterzeichnet wurde.

„Heute ist der Vertrag fast vollständig erfüllt“, kommentiert ebenjener Bielecki im Privatradio TokFM. „Polen ist ein vollwertiges Mitglied der EU. Zudem arbeiten Deutschland und Polen in allen denkbaren Bereichen zusammen – von der Landwirtschaft über die Kultur bis hin zur Wirtschaft. Das waren damals die wichtigsten Ziele, die wir uns im Vertrag gesteckt hatten.“

Dass es aktuell politisch wieder mal knirsche und Polens Regierung den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, dazu missbrauche, kurz vor Steinmeiers Besuch eine Anti-Nord Stream-2-Resolution zu beschließen, nimmt der Expremier eher gelassen. Nord Stream 2 stelle für Polen ein Problem dar, räumt Bie­lecki ein. Demnächst werde Deutschlands Außenminister mit dem polnischen Amtskollegen zusammentreffen, und da werde die Gaspipeline wieder auf den Tisch kommen. Das sei eben die politische Agenda der Nationalpopulisten von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die insgesamt sehr gute Zusammenarbeit von Deutschen und Polen schmälere dies nicht.

Glatt durchgefallen

Die Resolution, der parteiübergreifend fast alle polnischen Abgeordneten zustimmten, fordert „alle EU- und Nato-Staaten, insbesondere aber die Bundesrepublik Deutschland“ dazu auf, „alles zu tun, um den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland zu stoppen“.

Der Deutschlandkenner Wieliński fragt hingegen selbstkritisch, inwiefern Polens Politiker den Geist des Vertrags von 1991 verinnerlicht hätten. Präsident Andrzej Duda fällt bei dem Test glatt durch. Im Wahlkampf 2020 hatte Duda wieder einmal die antideutsche Karte gezückt und den Polen zugerufen: „Die Deutschen werden uns nicht unseren Präsidenten aussuchen.“

Damit wollte er davon ablenken, dass er einen Sexualstraftäter begnadigt hatte. Dies hatte das Boulevardblatt Fakt aufgedeckt, das dem deutsch-schweizerischen Verlag Ringier Axel Springer gehört. Später hatte ein beleidigter Duda auf das Hilfsangebot Stein­meiers in der Coronakrise pampig geantwortet: „Wir helfen Ihnen auch gerne.“

Auch der neue deutsche Botschafter machte unangenehme Erfahrungen. Monatelang musste er auf gepackten Koffern sitzen, weil Warschau sein „Okay“ so lange herauszögerte, bis alle Medien in Polen über die Wehrmachts-Karriere seines Vaters berichtet hatten.

Wieliński will jetzt in Berlin erfahren haben, dass Steinmeier wohl nur deshalb nach Polen kommt, weil niemand sonst den Vertrag mit den Nationalpopulisten feiern wolle – weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch der Bundestag. Er komme, um den Geist des Vertrags zu retten.

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