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Steinbrück beim Juso-BundeskongressEin Klopfer und ein Kandidat

Peer Steinbrücks innerparteiliche Charmeoffensive führt ihn auf den Juso-Parteitag. Er weiß bei seiner Rede: Das ist hier kein gewogenes Publikum.

Er könnte ihr Großvater sein. Aber er ist nur ihr Kanzlerkandidat. Bild: dapd

MAGDEBURG taz | Kurz bevor Peer Steinbrück kommen soll, ist die Antragsdebatte festgefahren. Beim Juso-Bundeskongress in Magdeburg geht es um das Thema Schülerpraktika, Antrag folgt auf Gegenantrag. Kaum jemand hört noch zu, die Delegierten schwätzen, der Applaus fällt dünn aus.

Dann tritt Sercan Alkaya ans Mikrofon. Der 18-jährige Bremer ist Bundeskoordinator der Juso-SchülerInnen, ihn nervt gewaltig, dass die Junggenossen derart lahm diskutieren. „Ich hab hier mal einen Klopfer; um der Debatte wieder etwas Dynamik zu verleihen.“ Sagts, haut das Fläschchen Wodka Energy aufs Pult und kippt sich den Stoff hinter die Binde. Johlen und Applaus. Hallo wach in Magdeburg.

Um Punkt achtzehn Uhr trifft der designierte Spitzenkandidat ein. Der Empfang ist durchwachsen: während vor allem die Hamburger und Baden-Württemberger unter den rund 300 Delegierten frenetisch jubeln, rührt sich bei den Berlinern und den Sachsen kaum eine Hand. Steinbrück weiß, das hier ist kein gewogenes Publikum. Hier sitzen junge Leute, die noch junge Überzeugungen haben – Leute, die er für seinen Bundestagswahlkampf dringend brauchen wird. Und manche hier im Saal sollen ihm beim Sonderparteitag im Dezember ihre Zustimmung geben.

Der Wind weht allen ins Gesicht

„Ihr seid in vielen Fragen anderer Meinung als ich“, beginnt Peer Steinbrück seine Charmeoffensive, „ein Teil von euch hat eine andere Präferenz – wir müssen hier nichts inszenieren.“ Wenn ihm der Wind ins Gesicht wehe, wehe er auch für die Partei „und euch als Jugendorganisation“. Aber er wäre dankbar, wenn sich nun alle den „wirklich wichtigen politischen Themen zuwenden“ würden.

Und dann listet er jene Bereiche auf, die die Sozialdemokraten in ihrem „Gerechtigkeitswahlkampf“ angehen wollen. Arbeitsmarkpolitik, Bildung, Steuern, Geschlechtergerechtigkeit, kommunale Finanzen, Europa – es ist eine jener Reden, die Steinbrück dieser Tage landauf, landab hält. Engagiert, kenntnisreich, freundlich.

Erst am Ende geht er noch einmal auf die Zweifel der Parteijugend an ihm ein. Viele würden sich fragen: „Ist das der richtige Kanzlerkandidat? Nun, so wie es aussieht, gibt es einen entsprechenden Vorschlag“, sagt er mokant. Also käme es jetzt darauf an, in den Wahlkampfmodus zu kommen. Schließlich: „Ich bin auf euch angewiesen.“ Der Applaus ist ordentlich. Nicht überwältigend. Aber reicht das für die Jusos? Es sieht ganz so aus. Länder- und flügelübergreifend changieren die Gegenreden zwischen Unterwerfung und nur leisen Zweifeln. Von den Jusos jedenfalls darf sich der Kandidat überwiegend Unterstützung erwarten.

Gabriel macht Tagespolitik

Am Morgen hatte Parteichef Sigmar Gabriel gesprochen. Seine Rede trug den nicht eben griffigen Titel „Für ein neues soziales Gleichgewicht in Deutschland! Für ein gerechtes Europa!“ Gabriel machte Tagespolitik. Vor dem Hintergrund, dass am Freitag im Bundestag die Abstimmung über das Steuerabkommen ansteht, drosch er kräftig auf die Schweizer Banken ein. „Was die machen, ist eine bandenmäßige Steuerhinterziehung“, sagte er. Deutschland benötige für die Ermittlungen eine spezielle Staatsanwaltschaft oder den Generalbundesanwalt. Wegen der fehlenden Zustimmung der SPD wird im Bundesrat mit einem Aus für das von Schwarz-Gelb vorgelegte Gesetz.

Aber es ging auch um Peer Steinbrück. „Natürlich weiß ich, dass die Partei und vielleicht auch welche bei euch verunsichert sind mit dieser Nebentätigkeitsdebatte“, sagte Gabriel. Aber Steinbrück sei der richtige Kandidat, weil die SPD jemanden brauche, der „seine ganze Kraft in die Bändigung der Finanzmärkte und in deren Besteuerung investiert“. Steinbrück habe seit Jahren glaubwürdig dafür gekämpft.

Vor seiner Rede war der Parteivorsitzende von Fernsehjournalisten übrigens gefragt worden, wie hoch denn sein Redehonorar sei. Er habe denen geantwortet, „bei den Jungsozialisten sei es schon ein großes Honorar, ein paar Minuten als Parteivorsitzender reden zu dürfen", sagte Gabriel. Und Manuela Schwesig, die stellvertretende Parteivorsitzende, hatte auf die Frage gemeint, sie habe gerade noch „ein Käffchen“ bekommen, das reiche ihr. Dass das Spitzenpersonal der SPD sich derlei Zudringlichkeiten gefallen lassen muss – das haben sie ihrem designierten Spitzenkandidaten zu verdanken.

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9 Kommentare

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  • N
    NeoLiberal?

    Wer weis?? Die SPD hat gerade wieder eine Verdeckte Krisse. Kein Mensch erkennt das Verdrossenheit auch schon innerhalb der SPD existiert. Agenda 10 gab der SPD den Rest.Aber den Mitgliederschwund kan man nicht nur der Agenda 10 zuschreiben, sondern auch dem demografischen Wandel und einen Wandel der Gesellschaft in Richtung Freie Wähler. Aber auch die stark zunehmende Desinteresse gegenüber der Politik der jüngeren Bevölkerung macht mir Sorgen und sind auch Ursache dafür (Nichtwähler). Besonders auch der Dekadenz unserer Gesellschaft zuzuschreiben.Lieber lässt man sich blenden durch zunehmende Medien und Kommerz angeboten.So kan man auch die ungebildete Bevölkerungsschicht stillhalten, bevor es überhaupt zu einem Aufstand der Maße kommen kann.Spaß am Leben ja! Aber bitte auch Reflektieren! Sag, damit nicht dass alle so sind! Die SPD hat sich zu einer Partei entwickelt die nach außen hin sich als Fürsogliche Partei gibt.Angebliche eingliedern von langjährigen Arbeitslosen. Aber in Wirklichkeit die "Sklaventreiber"und Lohndrücker durch Subventionierungen fördert(Agenda 10) und somit soziale Dienste erzwingt. Die eigentlich von jedem Selbst kommen sollten. Natürlich gibt es Sozialschmarotzer dies sind aber nicht die Maßen unter der Harz4 Empfängern und Arbeitslosen.Muss man festhalten!!!. und dies alles symbolisiert ein Herrn Steinbrück. Die Partei bleibt nur noch als Seheimer Partei erhalten.Ist das eine Antwort auf unsere Zeit? Ich weis es nicht?

  • UW
    Ulrich Wegener

    Beim Kongress haben Jusos wider besseren Wissens SPD Mitglieder als Rassisten und Faschisten diffamiert und beleidigt. Der Boykott des Deutschlandtreffen 2013 der SPD angedroht, weil es ein Deutschlandtreffen ist. Von einer Mehrheit applaudiert. Alles toll zum Kotzen.

    Die Forderung an die SPD, die Koalition und Regierung mit der Die Linke nicht auszuschließen, wenn das zur Verhinderung einer Koalition und Regierung von Union und SPD oder von Union und Die Grünen notwendig und möglich ist, wurde nicht nur nicht ausführlich diskutiert, sondern dann nicht beschlossen.

    Damit geben Jusos ohne Not die Durchsetzung ihrer richtigen Forderungen für den Fall auf, dass SPD und Die Grünen allein keine Mehrheit erreichen. Das ist wahrscheinlicher. Jusos sind nicht doof. Sie nehmen wissentlich ihre eigenen Forderungen und deren Durchsetzung nicht ernst. Wollen sich damit das Vertrauen junger Menschen erwerben. Wenn überhaupt ist damit naive Gefolgschaft erreichbar. Und Funktionen und Mandate in der SPD.

    Die Jusos setzen damit ihr historisches Versagen seit 2005 fort. So was hätten selbst die Schröders nicht hingekriegt.

    Die Minderheit der vernünftigen und gebildeten unter den Aktiven der Jusos sind und brauchen SozialistInnen in der SPD, als Partei in der Partei. Meint Ulrich Wegener, Sozialist in der SPD (https://www.facebook.com/pages/SozialistInnen-in-der-SPD/143742682422832 , https://www.facebook.com/groups/SozialistInnen.in.der.SPD/), mit freundschaftlichem Gruß.

  • H
    Harro

    Mit Steinbrück tritt tatsaechlin ein neo-liberaler, unglaubwürdiger Kandidat vor die Jusos. Warum er überhaupt kommt, ist die interessante Frage. Wahrscheinlich braucht er inzwischen sogar dieses Publıkum noch bzw. er will sich in der Partei basisnah geben, nachdem ihm genau diese Basis ein paar Jahre lang egal war. Ein paar Jusos werden sein Bekenntnis zur Agenda 2010 noch in Erinnerung behalten haben und sich auf seine kommende Wahlschlappe freuen.

  • F
    Felix

    Für mein Verständnis ein offener Artikel. Und für mein Verständnis zum Teil ziemlich schwachsinnige Kommentare. Da wünschte ich mir einfach ein bisschen mehr Geschichtskenntnis und Geschichtsverständnis. Wohl haben nach dem zweiten Weltkrieg überwiegend CDU-Kanzler regiert. Ich vermeide bewusst den Begriff gewirkt. Denn die meisten großen Zukunftslinien wurden von der Sozialdemokratie vorgegeben. Die CDU-Kanzler, wir sehen es heute wieder bei Frau Merkel, wollen nur Wahlen gewinnen, um dann evtl. in "Traumkoalitionen" zu regieren bzw. dahin zu dümpeln.

  • K
    kommentator

    hört sich ja sehr devot und keinesfalls sozialdemokratisch an diese ganze SPD-Veranstaltung.

     

    naja, war ja auch nicht anders zu erwarten.

  • FB
    Florian Besser

    Gut, dass ihr der Frage nach dem Honorar nachgegangen seid. Würde mich interessieren, wie er das als Kanzler machen will. Müssen Journalisten bei Pressekonferenzen Eintritt zahlen? Werden Regierungserklärungen nur noch im Bezahlfersehen gesendet?

     

    Steinbrück ist schon verbrannt. Noch ist es nicht zu spät, sich einen neuen Kandidaten zu suchen, liebe Genossen.

  • T
    Torben

    Die SPD verleugnete respektable Wurzeln, ist in der Gegenwart überflüssig wie ein Kropf und - jetzt wissen wir es angesichts linientreuer Jusos ganz genau - hat auch keine Zukunft.

     

    Abwracken!

  • VB
    Volker Birk

    Der Vizekanzlerkandidat im "Gerechtigkeitswahlkampf".

     

    Na, das wird für den brutalstmöglichen Offenleger und neoliberalen Ideologen nicht leicht werden. ;-)

     

    Obwohl, wer nach all den Jahren ungerechter und unsozialer Politik seitens der SPD immer noch diese Partei wählt, der merkt bestimmt auch das nicht. Für 18% reichts dann bestimmt noch – und mehr braucht man ja nicht zum Mitregieren.

  • VD
    von dem Alten lernen ...

    ... könnte einem Juso / einer Juso in späteren Jahren ein einträgliches Leben bescheren.

    Die SPD wähle ich nicht, genauso wenig wie die anderen Parteien, Alles gerissene Leute. Abstoßend.