piwik no script img

Steigende Kosten bei Stuttgart 21Noch teurer und noch später fertig

Der umstrittene Tunnelbahnhof in Stuttgart soll bis zu 8,2 Milliarden Euro kosten. Von einem Abbruch des Projekts will die Bahn aber nichts wissen.

Das Loch verschlingt Milliarden Foto: dpa

Berlin taz | Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 lassen nicht locker. Rund 50 Protestierende sind extra aus Stuttgart nach Berlin gereist, um vor der Zentrale der bundeseigenen Deutschen Bahn AG gegen das Milliardenprojekt zu demons­trie­ren. „Nicht mit uns“, sagen sie und werben für ihr Modell, den oberirdischen Kopfbahnhof zu sanieren, anstatt einen unterirdischen Durchgangsbahnhof anzulegen.

Der Erfolg der Aktion am Freitag hielt sich erwartungsgemäß in Grenzen. Der Aufsichtsrat der Bahn beschloss trotzdem, das Bauprojekt durchzuziehen – auch wenn es immer teurer wird und immer länger dauert bis zur Fertigstellung. Stuttgart 21 zu vollenden, ist aus Sicht der Bahn günstiger als ein Abbruch des Projekts, wie es die Gegner seit Jahren fordern.

Der Finanzierungsrahmen erhöht sich nun nach Bahnangaben auf 8,2 Milliarden Euro, und die Eröffnung verschiebt sich auf das Jahr 2025 – zwei Jahre später als zuletzt geplant. Im Finanzierungsrahmen ist demnach ein Puffer von knapp einer halben Milliarde Euro enthalten. Die Bahn rechnet nunmehr mit Kosten in Höhe von rund 7,7 Milliarden Euro, das sind 1,2 Milliarden mehr als im Jahr 2016 veranschlagt.

Die Bahn begründet die Mehrkosten ihres umstrittenen Prestigeprojekts mit Baupreissteigerungen und aufwendigeren Verfahren beim Tunnelbau im Anhydrit – einer Schicht aus quellfähigem Gestein – sowie der späteren Inbetriebnahme. Auch die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm wird teurer. Die Kostensteigerungen in Baden-Württemberg sollen sich aber nicht auf andere Bauvorhaben auswirken, verspricht die Bahn.

Scharfe Kritik der Linken

Die Bahn-Expertin der Linken-Bundestagsfraktion, Sabine Leidig, kritisierte den Aufsichtsratsbeschluss scharf. „Stuttgart 21 ist gänzlich unwirtschaftlich und wird zum Milliardengrab für die Deutsche Bahn. Aufsichtsräte, die auf dieser Basis das Projekt einfach fortführen, stehen mit einem Bein im Gefängnis, weil sie verpflichtet sind, wirtschaftlichen Schaden vom Unternehmen abzuwenden.“ Der Eigentümer müsse die Notbremse ziehen.

Leidig setzte sich zudem für das Konzept der S21-Gegner ein, die bereits angekündigt haben, Aufsichtsräte wegen der am Freitag getroffenen Entscheidung zu verklagen. Leidig: „Wir fordern: Offenlegung aller Gutachten, Baustopp und das alternative Konzept ‚Umstieg21‘. Damit würde die Baugrube genutzt, es könnte ein zeitgemäßer Bahnhof für die Hälfte der Kosten von Stuttgart21 verwirklicht werden – mit erheblich mehr Kapazität und Nutzen für den Bahnverkehr.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Hihi :)

  • 8G
    82732 (Profil gelöscht)

    Das grosse Problem an S21 ist, dass die nur 8 Bahnsteige "produktionstechnisch" völlig ungeeignet sind für einen 'Integriertem Taktfahrplan'.

    Denn da müssen jeweils zur vollen Stunde gleichzeitig deutlich mehr Züge im Bahnhof stehen.

     

    Zürich HB hat auch 8 unterirdische Durchgangsgleise ... ... aber plus 14 Kopfgleise oben.

    Und zu '00 und '30 sind die alle belegt.

    • @82732 (Profil gelöscht):

      Die Schweizer sind eben Vorbilder, sie erklären vorher worum es geht beim Sankt Gotthard Tunnel. Der wurde im Zeit- und Finanzplan rechtzeitig fertig. Die Tunnelbohrmaschinen von Herrenknecht waren identisch mit denen in Stuttgart.

      Bei Stuttgart 21 geht es um ein Spekulationsprojekt für 100 ha Bauerwrtungsland in der Stadtmitte: das freiwerdende Gleisgelände! s. meinen Kommentar weiter unten.

      Eine Verkehrsprojekt war S21 nie.

      • 8G
        82732 (Profil gelöscht)
        @Peter Meisel:

        Kein Widerspruch.

        Wenn es a) sich denn rechnen würde und b) gleichzeitig ein zukunftssicherer tauglicher Bahnhof herauskäme, wäre es ja ok.

         

        Punkt (b) war seit beginn nicht gegeben [Minimalbahnhof um a) schönzurechnen], jetzt zerfällt (a) auch so noch....

         

        Für Stadt und Bewohner wird aber der untaugliche Minibahnhof das haupt-Problem.

  • Ein Kopfbahnhof ist in der heutigen Zeit bgzl. Betriebsführung absoluter Unsinn. In Wien wurde ein neuer Hauptbahnhof mit 10 Bahnsteigkanten gebaut, der fast 3 Kopfbahnhöfe ersezt. (Einer der Westbhf bleibt noch dem Regionalverkehr)

    • 8G
      82732 (Profil gelöscht)
      @metropolis:

      In der Tat würde man heute bei einem Neubau keinen Kopfbahnhof vorsehen.

       

      Aber die Betriebsabwicklung ist heute nicht mehr übermässig aufwendig:

      Statt wie früher i.d.T. sehr aufwendigem Lokwechsel, muss heute nur noch in den Führerstand am anderen Ende des Wende- oder Triebzuges gewechselt werden. Und das geht in wenigen Minuten und ohne Rangiererei.

  • So ganz schlecht ist das nicht. Jede Milliarde, die in solchen Projekten verbrannt wird, bedeutet gleichzeitig auch eine Milliarde weniger, um die Interessen Deutschlands am A* der Welt militärisch zu verteidigen.

  • Industriestaat

     

    Stuttgart 21 ist und bleibt eine notwendige Investition in die Zukunft!

    Denn Deutrschland ist und bleibt ein Industriestaat, in dem Großprojekte zugunsten der Gemeinschaft möglich sein müssen. Auch davon leben wir alle.

    • @Hartz:

      S21 ist eine Fehlinvestition, an der sich nur ein paar Wenige bereichern können. Als Immobilienprojekt schafft es nur ein paar zusätzliche überteuerte Einkaufszentren in der Innenstadt und als Verkehrsinfrastrukturprojekt ist es viel zu klein und zu popelig. Wie leistungsfähige unterirdische Bahnhöfe aussehen, kann man sich schon Jahrzehnten in Japan (z. b. Umeda-Station in Osaka) anschauen. Die Gemeinschaft der Bürger hat von dieser Version von S21 nur Nachteile.

      • @Adele Walter:

        Demokratie...

         

        Bei der Volksabstimmung stand eine klare Mehrheit für S 21.

        Bitte die Spielregeln der Demokratie beachten!

        Übrigens wird S 21 unter einem "grünen" Miniszterpräsidenten gebaut - pikant... Daran sollte eine Gedenktafel nach der Fertigstellung erinnern. Damit es nicht vergessen wird.

  • Diese Entscheidung der Aufsichtsrates der Deutschen Bundes Bahn heute am 26.01.2018, wird das „Jahrhundert Immobilien Projekt“, als städtebauliche Entwicklungschance geplant, und von langer CDU / FDP Hand vorbereitet, aus dem Jahr 1997 den Rest geben?

    Das Konzept, „man lege einen Kopfbahnhof für ein paar Milliarden unter die Erde und räume 100 Hektar Gleisgelände für ein neues Stadtviertel frei. So wird das Projekt auf der Immobilienmesse MIPIM vorgestellt. (Quelle KONTEXT 25.10.11 Spekulation, na und? von Meinrad Heck)

    Kann ich nur empfehlen zu lesen!

    Die scharfe Kritik der Linken ist absolut angebracht. Ich schließe mich an.

     

    Die beteiligten rechten Parteien CDU / FDP haben wohl ihre inzwischen gegebene Konkurrenz übersehen? Deren Programm für Deutschland hat ein eigenes Kapitel dafür:

    „14.1 Werterhalt vor Modernisierung und Neubau Bei der Reparatur und Modernisierung wollen wir die Kommunen in die länderübergreifende Gesamtplanung einbinden. Priorität hat der Werterhalt vor der Modernisierung und dem Neubau. Entscheidungen für Neubauprojekte dürfen erst nach vorausgegangener umfassender Bedarfsplanung und nach unparteiischer Fach- und Kostenprüfung gefällt werden. Vorrang müssen fachlich begründete Entscheidungen haben, die durch die Politik anzuerkennen sind. Interventionen in die technische Projektabwicklung durch Politiker sind konsequent zu unterbinden. Die Politik ist ausschließlich im Vorfeld der Planungen für die Formulierung des Bedarfs und des Projektumfanges verantwortlich. Die mangelhafte Personalausstattung bei den öffentlichen Fachbehörden ist umgehend zu beseitigen.“

    Na dann viel Err-Volk bei der GroKo Verhandlung bzw Neuwahl.

  • Auch wenns langweilig ist es wieder zu sagen:

    Geile Sache! In unserer strukturschwachen und gebeutelte Region hier rund um Stuttgart / Ulm sind die Investitionen bitte nötig und weitere Milliarden hier hin zu leiten um sichere Arbeitsplätze noch sicherer zu machen.

    Am besten woanders noch Ticketpreise erhöhen; z.B. rund um Görlitz oder so. Dann ziehen die da endlich weg und kommen zu uns, um noch mehr Hallen, Büros,Tunnels und Staßen und Daimlers und Einspritzpumpen uswusf. zu bauen. Und jeder der das nicht versteht, ja gut, der kapierts halt einfach nicht.

  • Leider stehen die Aufsichtsräte nicht mit einem Bein im Gefängnis. In der Schule haben wir etwas über Gewaltenteilung gelernt. Die Praxis? Der Oberstaatsanwalt ist gegenüber dem Staatsanwalt weisungsbefugt, der Generalstaatsanwalt gegenüber diesem und der Innenminister gegenüber dem Generalstaatsanwalt (abgesehen davon, dass eine Beförderung nur bei Wohlverhalten erfolgt!). Und die Neubaustrecke? Zwischen München und Stuttgart wurden inzwischen 6 Fernzüge gestrichen. Die leichten Güterfernzüge entpuppen sich als Chimäre. Kosten-/Nutzenverhältnis damit deutlich unter 1,0. Der Bau wäre damit rechtswidrig, da unwirtschaftlich. Aber gut, dass die Vorstände durch ein weiteres Gefälligkeitsgutachten bestätigt bekommen, dass der Projektabbruch wiederum teurer als der Weiterbau wäre. Wie schon 2011 bei der Volksabstimmung und 4,2 Mrd. fixen Projektkosten für S21 behauptet. Aber S21 ist ein politisches Projekt, beim „Faktencheck“ von den Grünen im Wahlkampf instrumentalisiert und von Merkel vor der „Volksabstimung“ zur Staatsraison erhoben.

    Und wozu: Dass in Zukunft im Stuttgart Hauptbahnhof maximal 32 Züge, anstatt wie in den 60er Jahren 62 Züge pro Stunde fahren können!