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Statistik zur GrundsicherungSo viele arme Alte wie noch nie

Altersarmut auf Rekordniveau: Noch nie haben so viele alte Menschen Sozialhilfe bekommen. Die IG Metall warnt vor einem „sozialpolitischen Skandal“.

Gewerkschafter warnen: Altersarmut könne ein Massenproblem werden. Bild: dpa

WIESBADEN dpa | Alte und kranke Menschen in Deutschland sind immer mehr auf Hilfe vom Staat angewiesen. Ende 2012 bekamen knapp 900 000 Menschen Grundsicherung im Alter und wegen dauerhafter Erwerbsminderung. Das waren 6,6 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte. Die Betroffenen können entweder von ihrer Altersrente nicht leben oder sie sind auf Dauer zu krank zum arbeiten. Die Zahl der Empfänger hat seit Einführung der Grundsicherung 2003 einen Höchststand erreicht.

Knapp 465 000 Menschen, die 65 Jahre und älter waren, benötigten diese Sozialhilfe. „Auf die Grundsicherung im Alter sind insbesondere westdeutsche Frauen angewiesen“, berichteten die Statistiker. In der Gruppe bekamen 33 von 1000 Frauen Geld, in den neuen Bundesländern einschließlich Berlin waren es 21 von 1000 Frauen. Männer waren in 25 beziehungsweise 18 von 1000 Fällen betroffen. In einem früheren Bericht wiesen die Datenexperten darauf hin, dass Frauen in der DDR eher gearbeitet haben und deswegen nun bessere Renten bekommen.

Ähnlich viele kranke Menschen benötigten Grundsicherung wegen dauerhafter Erwerbsminderung. Waren es Ende 2011 noch rund 408 000 Menschen, registrierten die Statistiker ein Jahr später etwa 435 000 Betroffene. Damit stieg die Anzahl der Empfänger in beiden Gruppen um etwa 6,6 Prozent, also sowohl bei den Rentnern als auch bei den dauerhaft Kranken. Seit Einführung der Grundsicherung 2003 hat sich die Zahl der Empfänger insgesamt mehr als verdoppelt. Die Zahl wuchs nahezu stetig, lediglich 2009 ging sie ein wenig zurück.

Die neuen Daten alarmieren Gewerkschafter. Die IG Metall warnte vor einem „sozialpolitischen Skandal“. Die Zahlen zur Grundsicherung im Alter seien ein Alarmsignal, das die Politik nicht länger ignorieren dürfe. „Mit kosmetischen Korrekturen auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners wird sich die drohende Altersarmut als Massenphänomen in Deutschland nicht abwenden lassen“, sagte Vorstand Hans-Jürgen Urban. Der DGB warnte zudem vor versteckter Armut: Weil sich viele Ältere schämten und keine Grundsicherung beantragten, müsse von deutlich mehr armen Rentnern ausgegangen werden.

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6 Kommentare

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  • J
    jens

    Wem hat dies denn das Volk zu verdanken? Jenen, die jetzt schon wieder in ihrem unersättlichen Streben nach inkompetenter Teilhabe an der Macht das Lied von der sozialen Gerechtigkeit trällern, dem Volk die Augen mit ihrem jämmerlichen Mindestlohn verkleistern und die den Suppenküchen und Tafeln einen ungeheuren Aufschwung gaben. Diese gesetzgewordene Ausbeutung und Neuformulierung der Rentenberechnung nennen sich SPD und Grüne.

    Das ist inzwischen angenehm für die Politik und die Wirtschaft, dass sich daran nie etwas ändern wird. Oder doch? Die SPD und Grüne haben inzwischen den Pickel für die Kluft zwischen "arbeitender Klasse" und nassauernden Nutznießern derart gründlich geschwungen, dass sie sich den so einfach nicht mehr aus der Hand nehmen lassen.

    Wo ist die soziale Marktwirtschaft und die Würde des Menschen.

  • W
    Wolfgang

    Es gibt keine Interessenvertretung für die werktätige Bevölkerungsmehrheit und die Alten, in der spätbürgerlichen, undemokratischen und kapitalfaschistischen Bundesrepublik Deutschland!

     

    Die letzte Interessenvertretung, die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), sie wurde nach ihrem antifaschistischen und demokratischen Kampf, vor 1933, während 1933 bis 1945, und nach 1945, erfolgreich, im Jahr 1956, -- im Jahr von Gehlens CIA-SS-SD-BND Gründung --, im Herrschaftsinteresse des deutschen Finanz- und Monopolkapitals, liquidiert.

     

    Die werktätige Bevölkerung steht heute unter geistiger Kontrolle der gesellschaftspolitischen Administration, der "Sozialpartner" und spätbürgerlichen Medien, der Finanz- und Monopolbourgeoisie.

  • G
    gerstenmeyer

    werden gerade diese menschen nicht von der politik noch verhöhnt wenn man immer mehr armutsflüchtlinge hereinlässt?

    hier stimmt doch eine rechnung nicht-bei aller gutmütigkeit

  • F
    FranzK

    Man sollte die Menschen nicht vergessen, die aufgrund ihrer düsteren Zukunftsaussicht dem Suff verfallen, mit dem Hintergedanken lieber etwas früher abtreten als mit 80 noch in Papierkörbe zu tauchen. Mein Vollstes Verständnis haben die auf jeden Fall. Der Euro, die Lohndrückerei und Hartz 4 fordern ihren Tribut. Selig sind allein die Erben.

  • F
    Frust

    Warum Scham? Schämt sich denn die Politik, die die Armut züchtet,indem sie Geld dahin verteilt,wo es bereits genug davon gibt? Die Politik sollte sich schämen. Bei Merkel nennt sich sowas marktkonform.

  • D
    D.J.

    Statistisch interessant wäre - bei steigenden Rentnerzahlen - die Steigerung des prozentuale Anteils der Grundsicherungsempfänger.

     

    Ein Systemproblem ist, dass sehr viele Menschen keinerlei Sinn mehr in eigener Vorsorge sehen, wenn sie ohnehin nicht mehr als die Grundsicherung bekommen werden (z.B. bei Personen mit einer stark schwankenden Einkommensbiographie). Hier sollte über die intelligente Ausgestaltung von Freibeträgen bei privaten Zusatzrenten gedacht werden.