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Stasi hatte Schalcks KoKo fest im Griff

Mielkes Büroleiter bestätigt im Schalck-Ausschuß: „Big Alex“ ging an Mielkes Leine/ Schalcks Führungsoffizier war auch für Anwalt Vogel zuständig/ Details aus der legendären Honecker-Akte  ■ Aus Berlin Thomas Scheuer

Der Aufbau und die Umtriebe des Firmennetzwerkes „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) des Alexander Schalck-Golodkowski wurden von Beginn an maßgeblich vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gesteuert. Dies bestätigte die Vernehmung des früheren Büroleiters des Stasi-Ministers Erich Mielke, Hans Carlsohn am Donnerstag im Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages. Der heute 64jährige ehemalige Stasi-General Carlsohn diente Mielke fast vier Jahrzehnte, zunächst von 1951 bis 55 als Leibwächter, danach als Leiter des Minister-Sekretariats im MfS, zuletzt im Range eines Generalmajors mit einem Jahresgehalt von 47.250 Mark. Im Gegensatz zu seinem Chef, der am Vortag unter Verweis auf laufende Strafverfahren zwar rege geplaudert, aber nichts ausgesagt hatte, machte Carlsohn wider Erwarten kein Aussageverweigerungsrecht geltend.

Carlsohn will Schalck Ende der sechziger Jahre im Mielke-Ministerium kennengelernt haben. Schalck habe sich selten persönlich bei Mielke im Büro blicken lassen, statt dessen ständig mit ihm über eine Sonderleitung telefoniert. Auf die Frage des Ausschußvorsitzenden Horst Eylmann (CDU), ob das „MfS den Bereich KoKo fest im Griff“ gehabt habe, antwortete Carlsohn: „Ja sicher, von dem gehe ich aus.“ Mit denselben Worten quittierte er die Frage des SPD-Abgeordneten Andreas von Bülow, ob KoKo-Chef Schalck als Offizier im besonderen Einsatz (OibE) der Stasi unterstellt war. Schalck habe über seine Gespräche mit westlichen Managern und Politikern direkt Mielke rapportiert.

Als Führungsoffizier Schalcks und seiner Ehefrau Sigrid fungierte nach Carlsohns Aussage der „Offizier für Sonderaufgaben“ Heinz Volpert. Der war ebenfalls direkt dem Mielke-Sekretariat zugeordnet und dort neben der „Betreuung“ Schalcks vor allem für den „humanitären Bereich“ zuständig, also den Häftlingshandel. In dieser Eigenschaft habe Volpert bis zu seinem Tod auch die „Verbindung“ zu Rechtsanwalt Wolfgang Vogel gehalten. „Führungsoffizier“ sei im Falle Vogels allerdings „nicht der richtige Ausdruck“. Vogel habe „direkte Kontakte“ mit Mielke gepflegt, sei auch einige Male im Ministerbüro gewesen. Schließlich habe sich Mielke persönlich um den Agentenaustausch und -freikauf gekümmert. Auch Kontakte zwischen Vogel und Schalck „müßte es gegeben haben“, da Schalck ja die „Vereinnahme“ der Devisengewinne aus Vogels Arrangements oblag.

Carlsohn bestätigte, daß Volperts Ehefrau in der Kanzlei Vogels arbeitete. Der Anwalt, „ein netter, freundlicher Mensch“, sei seines Wissens aber nicht Mitarbeiter des MfS gewesen. Dabei blieb Carlsohn auch, als die Abgeordnete Ingrid Köppe (Bündnis 90/ Grüne) ihm Aussagen eines Stasi-Überläufers vorhielt, der gegenüber dem Verfassungsschutz Vogel als OibE bezeichnet hatte.

Carlsohn gab auch einige Details zur berühmten „Honecker-Akte“ zum besten: Diese Akte habe er selbst auf Anweisung Mielkes in seinem Panzerschrank aufbewahrt. Das legendäre Dossier schließe mit einem Resümee, in dem Honecker vorgeworfen werde, durch „fehlerhaftes Verhalten“ während der Nazi- Diktatur eine antifaschistische Mitkämpferin in Gefahr gebracht zu haben. Schalck-Golodkowski war laut Carlsohn eng mit Hans Fruck, dem langjährigen Stellvertreter des HVA-Chefs Markus Wolf befreundet. Um die Verflechtungen Schalcks mit dem MfS und speziell dessen Auslandsspionage HVA weiter zu durchleuchten, will der Ausschuß weitere vormals hohe MfS-Offiziere, unter ihnen Markus Wolf vorladen. Auch der Namensgeber des Ausschusses selbst soll noch vor der Sommerpause ein zweites Mal vernommen werden.

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