Start der Olympischen Jugenspiele: Lernen für ein Leben ganz oben
Am Samstag beginnen die Jugendspiele. Damit will das IOC sein Milliardengeschäft mit der olympischen Idee retten. Eine neue Bühne für den Hochleistungssport.
BERLIN taz | Die Jugend soll sich mehr bewegen. Sie soll fair sein, und dopen soll sie auch nicht. Mit diesen Zielen schickt das Internationale Olympische Komitee junge Menschen aus über 200 Ländern in die ersten Olympischen Jugendspiele. Die werden heute in Singapur eröffnet. Geschätzte 300 Millionen Euro lässt sich das IOC das sportliche Jugendtreffen kosten.
Für den deutschen IOC-Vize Thomas Bach ist das eine "Investition in die Zukunft". 2007 bei der IOC-Vollversammlung in Guatemala wurde beschlossen, fürderhin Jugendspiele zu veranstalten. Die Funktionäre waren angesichts weltweit sinkender TV-Quoten von Übertragungen der Spiele dankbar, dass ihr Präsident, Jacques Rogge, die Idee für Jugendspiele formuliert hat.
Jetzt werden sie also eröffnet. Doch mit dem, was Rogge vorschwebte, haben die Jugendspiele nicht mehr viel zu tun. Dem IOC-Chef schwebte ein lockeres Treffen der Sportjugend vor, bei dem es keine Siegerzeremonien geben sollte und eine Medaillenwertung schon gar nicht. Damit konnte er sich nicht durchsetzen. Es ist wieder ein Treffen der Besten geworden, die nun ihre "ersten olympischen Erfahrungen" (Bach) machen dürfen. Nur das Erziehungsprogramm, das neben den Wettbewerben angeboten wird, weist nicht den Wettkampfgedanken auf, der die Olympischen Spiele der Erwachsenen längst zu einem Welttreffen pharmazeutisch manipulierter Wesen hat werden lassen.
Ort und Zeit: Die 1. Olympischen Jugendspiele werden von Samstag bis zum 26. August in Singapur ausgetragen.
Wettkämpfe: 26 Sportarten mit 201 Wettbewerben stehen auf dem Programm, die auch 2012 in London ausgetragen werden. In einigen Sportarten werden neue Wege gegangen. So wird Basketball in einer Art Streetball drei gegen drei gespielt. Außerdem gibt es Mixed Teams im Schwimmen, im Triathlon oder im Radsport.
Teilnehmer: Erwartet werden insgesamt rund 3.600 Sportler aus 205 Ländern, 1.100 Funktionäre und 500.000 Zuschauer.
Erziehung: Ein gleichwertiger Bestandteil der Jugendspiele soll das Kultur- und Erziehungsprogramm sein. Es besteht aus mehr als 50 Programmpunkten, die "Chat with the Champions" oder "World Cultural Village" heißen.
Die Jugendsportler im Alter von 14 bis 18 Jahren können da etwas über Karriereplanung, "well-being", "healthy lifestyle" und soziale Verantwortung in der Gesellschaft lernen. Wer das Programm des "Culture and Education Programme" liest, dem wird auffallen, dass ein Wort dominiert: "fun". Die "Freude", wie Thomas Bach sagt, soll im Mittelpunkt der Jugendspiele stehen. Alles soll lustig und locker aussehen. Und die führenden Sportfunktionäre dürfen, wenn sie den jungen Leuten beim Sporteln zusehen oder ihnen eine Medaille umhängen, die Krawatte im Schrank lassen. Der Dresscode ist "casual". Auch hier findet die Angst des IOC Ausdruck, die Jugend der Welt könne das Interesse an den Olympischen Spielen verlieren.
Einen jugendlichen Anstrich versucht das IOC seinen Spielen seit ein paar Jahren auch dadurch zu geben, dass die Spaßsportarten wie BMX oder Ski-Cross in das offizielle Wettkampfprogramm aufgenommen hat. Doch das Bild Olympischer Spiele ist immer noch eher von der Verbeugung eines Turners vor dem Kampfgericht geprägt als von den Leistungen des DJs, der beim Beachvolleyball in den Auszeiten für Stimmung sorgen soll. Mit den Jugendspielen sollte das anders werden.
Doch Neuerungen sind die Ausnahme. So spielen die Basketballer eine Streetball-Variante auf einen Korb. Dann gibt es in der Leichtathletik und im Schwimmen gemischte Staffeln. Das Gewichtheben der 17-Jährigen hingegen wird aussehen, wie ein Gewichtheberwettbewerb eben aussieht.
"Kinder und Jugendliche sind immer größeren Gefahren des Konsums ausgesetzt, ihre Verweilzeiten vor dem Computer und ihr TV-Konsum sind ständig im Wachsen begriffen", weiß Helmut Digel. Der Sportwissenschaftler hat mitgearbeitet am Erziehungsprogramm für Singapur und hofft, dass mit den Jugendspielen das "weltumfassende Problem" Adipositas bei Jugendlichen einer Lösung näher gebracht werden kann. Digel weiß auch, dass das olympische "Fair-Play-Ideal durch den global sich ausbreitenden Dopingbetrug erheblich beschädigt" ist. Auch hier soll das Erziehungsprogramm ansetzen.
Doch worum es wirklich geht, zeigen die Gesprächspartner, die der Jugend in Singapur präsentiert werden sollten, damit sie erzählen können, wie es ist, wenn man es geschafft hat: Wundersprinter Usain Bolt, Wunderschwimmer Michael Phelps und Wunderstabhochspringerin Jelena Isinbajewa. Erstere haben zwar abgesagt, aber wie sie es geschafft haben, welche Mittel sie ggf. dafür eingesetzt haben, das hätten sie eh nicht erzählt. Es geht nicht darum, der Fettleibigkeit zu entrinnen, es geht darum, nach ganz oben zu gelangen. Das ist die eigentliche olympische Idee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind