■ Press-Schlag: Stars made by Ajax
Während auch die niederländischen Fußballklubs unter der Schuldenlast stöhnen – die 38 Voll- und Halbprofivereine verdoppelten in den letzten zwei Jahren ihre Schulden auf rund 75 Millionen Gulden – geht es Ajax Amsterdam ausgesprochen gut. Ajax kann mit Abstand die meisten Fans zu den Heimspielen im oft zu kleinen und etwas brüchigen Heimstadion mobilisieren. Mit 15.000 wurden so viele Dauerkarten wie noch nie verkauft, in das Stadion passen 20.000.
Ajax hat in den Niederlanden das Image, der Verein der Juden zu sein, weshalb sich die Ajax- Fans bei Auswärtsspielen von den gegnerischen Anhängern immer wieder ein lautstarkes Zischen anhören müssen, was an das in deutschen KZs ausströmende Todesgas erinnern soll. Dafür, und das klingt auch nicht gut, rufen die Ajax-Fans dem Schiedsrichter bei vermeintlichen Fehlentscheidungen auf deutsch hinterher: „Nazi raus!“ Im Frühjahr gab es einen Skandal, als die berüchtigten Anhänger des FC Utrecht ihre halbstündige Sonderzugfahrt nach Amsterdam mit einer prompten Rückfahrt beenden mußten. Die Utrechter hatten lauthals antisemitische Lieder skandiert.
Nicht nur wegen der hohen Zuschauerzahlen kommt Geld in die Kasse, Ajax praktiziert Europas wahrscheinlich effektivste Einkaufspolitik. Im Vorjahr waren Wim Jonk und Dennis Bergkamp für ungefähr 43 Millionen Gulden nach Italien (Inter Mailand) gegangen. Allein seit 1987 hat Ajax Amsterdam aus den Verkäufen von Spielern wie van Basten (AC Mailand), Ronald Koeman (PSV Eindhoven), Frank Rijkaard (Sporting Lissabon), Aron Winter (Lazio Rom), Rob Witschge (St. Etienne), Richard Witschge (FC Barcelona), Jan Wouters (Bayern), Johnny van't Schip (Genua) insgesamt nicht weniger als einhundert Millionen Gulden eingenommen. Ajax-Sprecher David End gibt allein für das Vorjahr einen Überschuß von 30 Millionen Gulden zu.
Für diese Saison griffen die Ajax-Verantwortlichen ihrerseits tief in die Tasche und verpflichteten vom RSC Anderlecht den holländischen Nationalspieler Peter van Vossen für die Ajax-Rekordsumme von 7,5 Millionen Gulden. Das Gesamtbudget beträgt 18 Millionen. Dazu kommt eine beispiellose Jugendarbeit. Louis van Gaal, Ajax-Trainer, ist sich sicher: „Keine Spitzenmannschaft in Europa investiert so viel in die Jugendarbeit wie Ajax.“ Genau zwei Millionen Gulden werden für über 150 Nachwuchskicker ausgegeben. Nicht nur junge Niederländer verschiedener Hautfarben trainieren in den zahlreichen Jugendmannschaften, auch zahlreiche junge Afrikaner.
Einer aus der Talentschar ist Clarence Seedorf. In der letzten Saison debütierte er mit 16 – van Basten oder Cruyff gelang das erst mit 17. Er ist schnell, beidbeinig stark und ein außergewöhnlicher Techniker. Geboren ist Seedorf in Surinam, als er zwei Jahre alt war, gingen seine Eltern nach Amsterdam. Bei einem der vielen Turniere für Jungs „unter 12“ wurde er entdeckt, da war er zehn. Er ist sich sicher: „Kein anderer Club produziert so viele Stars wie Ajax.“ Zu größeren Nachwuchsturnieren reist selbst der viel beschäftigte Johann Cruyff aus Barcelona an.
Ab September soll mit dem Bau des neuen Stadions begonnen werden. Die neue Anlage für 40.000 Zuschauer wird mindestens 200 Millionen Gulden kosten. Ajax wird selbst 40 Millionen zahlen, Stadt und Staat begleichen den Rest. Ajax, das nach sieben Spieltagen mit 13:1 Punkten an der Tabellenspitze liegt, will und muß nach 1990 endlich wieder Meister werden, nur der PSV Eindhoven und Feyenoord Rotterdam sind ernsthafte Konkurrenten. So ist es oft langweilig, wenn die großen Drei etwa gegen Sittard, Maastricht oder Sparta Rotterdam antreten. Allerdings ist Ajax gerade deshalb in der letzten Saison nicht Meister geworden, weil das Team die Spiele gegen die Kleinen zu lässig nahm. Feyenoord Rotterdam hat gegen Ajax die letzten drei Heimspiele mit mindestens drei Toren verloren und wurde trotzdem Meister. Falk Madeja
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