: Starker Anstieg der Zahl der Totalverweigerer
■ Immer mehr verweigern auch den Zivildienst aus politischen Gründen / Mißachtung der Gewissensnot durch Gerichte
Bonn (dpa) - Die Zahl der Wehrpflichtigen, die nicht nur den Kriegsdienst, sondern aus politischen Gründen auch den Zivildienst verweigern, ist von 22 im Jahr 1985 auf 126 im Jahr 1986 gestiegen. Das teilte der Bremer Pastor Ulrich Finckh von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in Bonn vor Journalisten mit. Der harte Umgang der Regierung und unterschiedliche Gerichtsurteile zeigten die teilweise Mißachtung der Gewissensnot der politischen Kriegsdienstverweigerer, sagte Finckh. „Wenn man davon ausgeht, daß Strafen für Kriegsdienstverweigerer dann zur politischen Verfolgung werden, wenn das Strafmaß die Dauer des gesetzlich verlangten Wehrdienstes übersteigt, ist diese Grenze von manchen Gerichten inzwischen überschritten“, erklärte Finckh. Fälle von Doppelbestrafung nannte er „Repressionen, die man nur noch als politische Verfolgung bezeichnen kann“. Einige Fälle seien so schlimm, das „amnesty international“ sie aufgegriffen habe, obwohl sie die völlige Ablehnung von Ersatzdiensten generell nicht schütze. Nach Angaben von Finckh muß sich auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem Problem der Totelverweigerer befassen. Das Landgericht Ravensberg habe dem Verfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Artikel 3 des Wehrpflichtgesetzes mit Artikel 12a des Grundgesetzes vereinbar ist. Außerdem müsse das Verfassungsgericht auf Antrag des Verwaltungsgerichts Bremen prüfen, ob Reservisten, die den Kriegsdienst nach ihrer Bundeswehrzeit verweigern, einige Monate Zivildienst nachträglich ableisten müssen.
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