■ Standbild: Tünnes und Schäl / "Computerclub"
„Computerclub“, Sonntag, 10.15 und 12.30 Uhr, WDR3
Sensation! Weltneuheit! Eine Fernsehsendung im Internet!!! In seinen Pressemitteilungen konnte der WDR vor Begeisterung kaum an sich halten: Der „Computerclub“ wollte ein Multimedia-Experiment wagen. Von der CeBit-Messe wurden einige Sequenzen der Computershow in das weltweite Computernetz Internet eingespeist und konnten mit spezieller Technik von angeschlossenen Computer-Usern abgerufen werden.
Auf dem Bildschirm sah die technische Sensation allerdings absolut enttäuschend aus. Die beiden Moderatoren Wolfgang Beck und Wolfgang Rudolph wurden von ihrem Wagemut so mitgerissen, daß sie dabei die journalistische Aufbereitung des Experiments vergaßen: Sie wirkten wie Tünnes und Schäl im Cyberspace.
Offensichtlich übernächtigt und leicht panisch, lieferten sie eine halbe Stunde lang Stilblüten, unfreiwillige Komik und Techno-Gebrabbel, dem selbst Leute, die sich – wie der Rezensent – aus beruflichen Gründen mit Kommunikationstechnologie befassen müssen, kaum folgen konnten: ATM, Breitband- ISDN, MBONE, beim Zentralrechner hatte „der Rooter gestreikt“, und „da fehlt uns ein AD-Wandler“, was immer das bedeuten mag.
„Wo so viel Komplexität zusammenkommt“, blieb Wolfgang Beck nur noch die Frage: „Sind das Einblicke in die Zukunft, oder ist das schon die Gegenwart?“ Tja, wer weiß? Das „virtuelle Studio“, in dem Beck moderierte, weswegen er vor Stolz fast platzte, kennt man jedenfalls schon aus dem ARD- Nachtstudio. Jetzt wissen wir aber auch, daß da unheimlich viel „Polygone“ (??) berechnet werden müssen – wow!
Für alle Nicht-Hacker unter den ZuschauerInnen dürfte es allerdings kaum sensationell wirken, wenn in einer Fernsehsendung zu Interviewpartnern in anderen Städten geschaltet wird – auch wenn es hier per Computer geschah. Doch Rudolph konnte seine Begeisterung kaum zügeln, als dann auch noch ein verwaschenes Bild des Bahnhofs Zoo in Berlin auf dem Monitor erschien: „Da sind ja noch Parkplätze frei!“ Was man mit Computer nicht alles machen kann. Tilman Baumgärtel
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