■ Standbild: Mini-Talent-Show
„ONE“, Do., 22.40 Uhr, Pro 7
Erschreckend, was die Jugendarbeitslosigkeit aus „unseren jungen Leuten“ (Helmut Kohl) macht. Da bewerben sich doch tatsächlich Zigtausende Desillusionierter um einen Job im neuesten Werbespot für Jacobs-Kaffee. Und damit sie in einer Minisequenz als Kellner den Cappuccino verschütten dürfen, müssen sie auch noch ein gnadenloses Casting über sich ergehen lassen, das Pro 7 einfach mal „ONE – den deutschen Nachwuchspreis“ getauft hat. Ein kleiner Schritt für die angehenden Schauspieler und Models, ein großer für den Münchener Privatsender auf seinem Weg zum Leitmedium für die Jugend.
Zugegeben, es gab auch bessere Preise als die angesprochene Komparserie. Zum Beispiel einen Plattenvertrag für eine junge Sängerin, die sich vom permanent notgeile Zoten reißenden Moderatoren- Talent Kai Böcking als „richtige Röhre“ bezeichnen lassen mußte. Und ein anderes Mädchen (wohl ein Gesichts-Talent) darf demnächst die Juni-Ausgabe der Elle schmücken. Auch so etwas kann ein Preis sein.
Mit dem seeligen Talentschuppen hatte das natürlich rein gar nichts zu tun. Denn schon wegen der schwer auf MTV-Ästhetik getrimmten Wackelkamera wirkte die Kommunion mediengeiler Adoleszenten in der Grote Kerk zu Den Haag wie eine große pickelige Schwester der Miniplayback- Show. Zudem ist Talent ja auch ein dehnbarer Begriff geworden, nachdem findige Manager aus jeder x-beliebigen Dorfclique eine erfolgreiche Boygroup formen. (Siehe auch: Backstreet Boys)
Was bleibt, ist die Erkenntnis, daß man Moderatorenduos auch nach dem Dominoprinzip zusammensetzen kann (Minh Khai Böcking) und es eigentlich ganz schön ist, wenn sich mal nicht die durchgenudelte Starparade von Schweiger bis Riemann auf der Bühne tummelt, sondern sogenannte neue Gesichter. Weshalb auch der anwesende Weisheits-Imitator Joseph Vilsmaier das letzte Wort haben soll: „Erst wenn Katja Riemann nicht mehr kann und Claudia Schiffer vom Laufsteg kippt, werdet ihr merken, daß man Jürgen Vogel nicht essen kann.“ Oder so ähnlich.
Oliver Gehrs
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