■ Standbild: Leichte Schorle
„TV – Die Undercover-Religion“, So., 0.20 Uhr, RTL
Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jo Reichertz saß an seinem Schreibtisch und plauderte für die Kanal-4-Dokumentation über Gott und die (TV-)Welt. Wie die Kirche auf das Medium Fernsehen zugehe („der eine Strang“), war allerdings auch von Reichertz schnell referiert: „Wort zum Sonntag“, „Urbi et Orbi“, und noch in diesem Jahr habe „unser Papst Johannes Paul der 26.“ [sic] das Fernsehen als Gabe Gottes an die Menschheit gepriesen. Interessanter sei jedoch („der andere Strang“), daß das Fernsehen selbst Religiöses produziere: statt Glockengeläut „Tagesschau“-Fanfare, statt Beichtstuhl Talkshow, Soap- operas als täglich Brot, „Laß dich überraschen“-Shows als wundertätige Pilgerstätten – und Fernsehen als Kompensation für den „Verlust der Religion“.
Immer noch besser als Inquisition und Kein-Sex-vor- der-Ehe, mochte man da denken. Doch Reichertz sah in allem, was sich auf dem Bildschirm tatsächlich an Religionsersatz finden läßt, bloß Ersatzreligion, abgekupfert aus unserer abendländisch- christlichen Kulturgeschichte. Daß sich aber die Kirche jahrhundertelang auch nur dieselben Grundbedürfnisse und Tricks für ihre Zwecke (man könnte auch „Quote“ sagen) nutzbar machte wie die Talkshow; daß sich die Menschheit nur deshalb Gott und Gottesdienst ausgedacht haben könnte, weil das Fernsehen noch nicht erfunden war – dieser Gedanke blieb ausgespart. Gespart hatte die Autorin Inge Zeppenfeld indes auch an ganz anderer Stelle: Zur Illustration von Reichertz Analogismenreigen hatte sie manch veraltetes Doku-Material aus dem Kanal-4-Archiv recycelt und damit ihr Wort zum Sonntag gestreckt wie andere andernorts Wein mit Wasser. csch
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