■ Standbild: Eine Lektion
„Das kleine Fernsehspiel – Gefährliche Träume“, Mo., 0.20 Uhr, ZDF
„Gefährliche Träume“ hat Loredana Bianconi ihre Dokumentation genannt, und gefährlich waren die Träume der Revolutionärinnen wirklich. Denn die Visionen von der Revolte waren die vorgeschobenen Begründungen für Morde und Attentate, im Kampf für eine angeblich bessere Welt. Aus den Träumen wurden Alpträume.
Die fünf Frauen aus den früheren militanten Bewegungen in Italien, die Bianconi zu Wort kommen läßt, stehen zu ihrer Entscheidung für den bewaffneten Kampf. Ähnlich wie die RAF in Deutschland sahen sie in den siebziger Jahren einen neuen Faschismus. Anders als in Deutschland war in Italien der bewaffnete Kampf aber fast eine Massenbewegung. Während hierzulande in der Blütezeit vielleicht einige Dutzend Kämpfer im Untergrund waren, waren es in Italien Hunderte.
Keine der fünf Frauen würde heute wieder eine Waffe in die Hand nehmen. Nadia Mantovani nicht, die 1976 als Mitglied der Roten Brigaden festgenommen wurde und erst zwanzig Jahre später wieder das Gefängnis verlassen konnte. Auch Susanna Ronconi nicht, die die Gruppierung „Prima Linea“ mitbegründete und die 1980 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Ronconi kann heute nachvollziehen, wieso viele die Aktionen der Guerilla bekämpften und weshalb sie die Militanten als „verkleidete Faschisten“ wahrnahmen.
Beinahe zwei Filmstunden lang sprechen die Frauen, lassen sie eine militante Ära Revue passieren. Was indes völlig fehlt, ist die heftige Auseinandersetzung der Ex-Militanten untereinander. Ebenso fehlen die heutigen Bemühungen der Ex-Aktivisten, die durch die Jugendzentren tingeln, um die Geschichtsschreibung über ihre Aktionen selbst in die Hand zu nehmen.
Dennoch ist die Dokumentation eine Lektion. Ein Bericht, der zeigt, wie Aufarbeitung auch terroristischer Geschichte Sinn machen kann. Ohne daß beschönigt wird, wird klar, warum sich einst Frauen entschieden haben, mit der Waffe in den Krieg gegen die Gesellschaft zu ziehen.
Die fünf Frauen zeigen aber auch, wie sie über zwei Jahrzehnte später Abstand von solchen Ideologien nehmen. Eine sagt: „Ich habe natürlich zu lange gekämpft. Gefährliche Träume waren es“ – so gefährlich, daß das ZDF sie erst nach Mitternacht ausstrahlte. Wolfgang Gast
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen