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■ StandbildMitten im Holdri-Holdro-Holdra

Heino hat Angst. Das kannten wir noch nicht. Komisch. Das macht ihn sympathisch. Jahrzehntelang ist er uns immer gleich vorgekommen: Mit puppenhaftem Lächeln, die Augen hinter der ewigen Sonnenbrille verborgen, geisterte er als Zombie des angebräunten deutschen Volksliedgutes durchs kollektive Bewußtsein. Und für diesen Heino wurde am Sonntag anläßlich seines 60. Geburtstages gar ein „Tatort“ verschoben. Und jetzt steht er da und hat Angst. Neben ihm steht die Moderatorin Kim Fischer, und immer, wenn sie sich auch nur einen Meter vom Jubilar wegbewegt, hält er sie nervös zurück: „Du sollst mich doch hier nicht allein lassen.“

Er ist aber auch zum Fürchten, dieser Aufmarsch der deutschen Schlagersänger mit ihren Glückwünschen und schönsten Melodien auf den Lippen. „Mit dir verschwend' ich meine Zeit“, trällert Howard Carpendale und betont seine Freundschaft mit Heino; Kinder in seltsamer Tracht marschieren unter Absingen eines Potpourris der klingendsten Volkslieder („Holdri- Holdro-Holdra“) durch die Halle und geben Heino Geburtstagsküßchen; Rüdiger Hofmann („Hallo erst mal!“) räsoniert über das Älterwerden und malt eine Vision von Altenclubs, in welchen ein „Doppelherz on the rocks“ vom greisen Barkeeper nur geschüttelt, aber nicht gerührt werden könne. Keinerlei Entrüstung im Publikum. Heino lacht. Und Drafi Deutscher ist krank, „wie wir alle lesen konnten“, weiß Frau Fischer. Wo, weiß nur sie selbst. Trotzdem soll Deutscher sein Gesicht in die Kamera halten – und bekommt dafür ein Genesungsständchen.

So werden sie unter rythmischem Klatschen herein- und herausgefahren, Heino lächelt und darf zwischendurch „persönliche Geschenke“ der Branchenkollegen öffnen. Das ist so falsch und gestellt, wie Fernsehgalas eben sind. Und schon wieder ist Heino sympathisch. Er hat offenbar keine Lust, sich an seinem Geburtstag in ein durchgestyltes Showkonzept pressen zu lassen, und plaudert einfach weiter. Fischer hat sichtlich Mühe, Heino zurück zum Drehbuch zu führen.

Einmal erzählt sie, daß sie sich Heino nicht in Jeans vorstellen könne (eine Überleitung, weil nämlich gleich Wolfgang Petry kommt), und Heino nickt das nicht ab, sondern bekennt, daß er durchaus gerne mal Jeans trägt. Und daß Fischer ihn doch erst seit Donnerstag kennt. Wie er sich selbst gern nennt: eine ehrliche Haut eben. Stefan Kuzmany

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