■ Standbild: Syrische Parasiten
„Rebell im Laufrad“, Mo., 22.15 Uhr, Vox
Der Hamster verhält sich zur Tierwelt wie Rhönradturnen zum Sport und Ü-Ei- Sammeln zum Kunstbetrieb: muß nicht unbedingt sein, nur was für Liebhaber eben. Die gibt's dafür reichlich.
Im Laufrad quietscht der nachtaktive Hamster zwei Jahre lang, bei guter Pflege (z.B. wenn man ein buntes Plastikrohrleitungssystem für 2.000 Mark durchs Wohnzimmer verlegt) eventuell auch länger, dann beendet Mutti Natur sein zweckfreies Dasein. Dabei will das putzsüchtige Goldstück weder Sterbehilfe noch ständig angegrabbelt werden, denn dann gibt's Streßhormonausschüttungen, wie Wissenschaftler an der Uni Halle herausfanden.
Eigentlich will er unser Leben nicht. Das machte Kirsten Gerhards erbauliche Geo-Dokumentation über den Hamster ein für allemal klar. In ihrem Freigehege im Filmstudio tummelte sich Versuchshamster „Milli“, hamsterte, fraß, verdaute, kopulierte und warf wenig später sogar eine Handvoll rosa Junghamsterwürstchen. Der einstündige Film enthüllte – musikalisch untermalt von einer possierlichen Endlosschleife aus synthetischen Mittelalterklängen – nicht nur Millis Privaträume, sondern auch ihre Leiche im Keller: Ihre Vorfahren waren als Parasiten in Syrien tätig, wo sie 1839 ein englischer Forscher entdeckte; 100 Jahre später verantwortete ein israelischer Forscher dann ihre wundersame Vermehrung im okzidentalen Familienmilieu. Wo Milli geschäftig und gleichgültig schnuppert und gelegentlich sogar auf Kleintiermessen mechanisches Befingern durch unzüchtige Züchterhände über sich ergehen und sich für angeblich gutes Aussehen prämieren lassen muß – aber von all dem wirklich nichts, aber auch gar nichts wissen will. Monie Schmalz
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