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Stand der SchulbauoffensiveHinter die Fassaden geschaut

Berlin investiert viel Geld in ein Schulsanierungs- und Neubauprogramm. Nach wie vor fehlt aber Personal in Bauämtern.

Nicht jedes Graffiti ist ein Sanierungsgrund, zu tun gibt es dennoch viel an Berlins Schulen Foto: dpa

Berlin taz | Die Altbaufassade der Friedenauer Ruppin-Grundschule macht mächtig Eindruck: roter Backstein, hier ein verzierter Giebel, dort ein Erker. Die Fachleute vom Bauamt Tempelhof-Schöneberg aber beeindruckte vor allem der desolate Zustand, den man hinter der Fassade des 1913 erbauten Gebäudes in der Offenbacher Straße vorfand: verrostete Stahlträger, ausgehöhlte Fugen, gerissene Steine.

„Wir mussten umgehend handeln“, sagt Baustadtrat Jörn Oltmann (Grüne) am Montag bei einer Baustellenbesichtigung. Jetzt wird saniert – und zwar gleich inklusive Barrierefreiheit und Innenausbau, auch Brandschutz und Haustechnik bekommen ein Update. Außerdem fehlen der Schule derzeit laut Schulleiterin Gisela Schade-Palzkill rund 1.000 Quadratmeter Klassen- und Fachräume, die man durch den Ausbau des Dachgeschosses schaffen will. Kosten bis zum voraussichtlichen Abschluss der Arbeiten im Jahr 2024: 28 Millionen Euro.

Berlin leistet sich seit dem Regierungswechsel vor einem Jahr eine teure Schulbauoffensive: 5,5 Milliarden Euro sollen in den nächsten zehn Jahren in Sanierung, Neubau und Erweiterung von Schulen fließen. Und weil die Baufirmen die unterrichtsfreie Zeit – seit Montag sind Herbstferien – stets besonders nutzen, um die Arbeiten an Schulen voranzutreiben, hatte Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag auch gleich ein paar Zahlen mitgebracht, die die Fortschritte bei Berlins größtem Investitionsprojekt in dieser Legislaturperiode dokumentieren sollen.

Insgesamt 309 Sanierungsmaßnahmen an 249 Schulen liefen aktuell, sagte Scheeres. Im laufenden Haushaltsjahr gebe man 870 Millionen Euro für Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen aus. Dächer, Fenster, Fußböden, die sanitären Anlagen und ein veralteter Brandschutz – in Mitte klagt derzeit eine Schülerin vor dem Verwaltungsgericht wegen eines fehlenden zweiten Fluchtwegs – machten laut Scheeres den Großteil der dringlichsten Sanierungsarbeiten aus.

Die Quittung fürs Sparen

Berlin hatte jahrzehntelang an seinen Schulen immer nur das Nötigste geflickt. Die Quittung kam in Form von stinkenden Schulklos, undichten Dächern und bröckelnden Fassaden: Nach einer systematischen Abfrage in den Bezirken bezifferte die Bildungsverwaltung den „Sanierungsstau“ an den Schulen Anfang 2017 auf 3,9 Milliarden Euro, davon 1,7 Milliarden Euro für dringende Akutfälle wie die Ruppin-Schule.

Strittig war dabei lange Zeit, welche Kosten das Land übernimmt und welche die Bezirke. Eigentlich sind Letztere für ihre Schulgebäude zuständig, doch die nötigen Abstimmungsprozedere mit dem Land als Geldgeber zogen Bau- und Planungsprozesse stets in die Länge. Die Idee, dass fortan eine landeseigene Gesellschaft für den Schulbau zuständig ist, scheiterte am Widerstand der Bezirke.

Aktuell laufen laut Scheeres 309 Sanie-rungsmaßnahmen an 249 Schulen

Also versucht man nun „erst einmal“, wie Scheeres am Montag betonte, „das kooperative Modell“. Das heißt: Kleinere Maßnahmen bis 5 Millionen Euro sind weiterhin Bezirkssache, sogenannte Großschadensfälle über 10 Millionen Euro liegen jetzt in Landeshand – und in der Preislage dazwischen dürfen die Bezirke selbst entscheiden, wie sie es mit der Zuständigkeit halten wollen.

Das tun sie offenbar sehr unterschiedlich, wie nun deutlich wurde: Während etwa Neukölln, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf alles selbst machen wollen, meldeten Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg je zehn Maßnahmen zur Übernahme an. Insgesamt 54 Sanierungsmaßnahmen – Gesamtvolumen 590 Millionen Euro – haben die Bezirke laut Scheeres ans Land abgegeben.

Und auch wenn das Geld jetzt da ist: Das Personal in den Bauämtern der Bezirke hält damit nicht Schritt, warnte Baustadtrat Oltmann am Montag. „Wir haben zwar sieben Fachkräfte neu eingestellt, aber letztlich haben wir zwei Mitarbeiter weniger als vor zehn Jahren – die aber nun doppelt so viel Gelder verbauen müssen.“

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