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StammzellendebatteMein Ei gehört mir

Kommentar von Biggi Bender und Priska Hinz

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen muss streng reglementiert bleiben. Sonst könnten Frauen zu "Rohstofflieferantinnen" für Eizellen oder Embryonen werden.

Embryonale Stammzellforschung hat massive Auswirkungen auf Frauen und deren Gesundheit. Dies geht in der aktuellen Debatte über den Import von embryonalen Stammzellen meist unter, da die Heilsversprechen und Lebensschutzargumente im Vordergrund stehen.

Bei einer Änderung der Stichtagsregelung geht es angeblich nur darum, neue embryonale Stammzellen importieren zu dürfen, die von "überzähligen" tiefgefrorenen Embryonen in anderen Ländern stammten. Deshalb hätte der Ruf nach neuen embryonalen Stammzellen hierzulande nichts zu tun mit einer Benutzung von Frauen als "Rohstofflieferantinnen" für die Forschung. Doch stimmt das wirklich?

Die embryonale Stammzellforschung ist eng mit der Fortpflanzungsmedizin verknüpft. Ohne künstliche Befruchtung gäbe es keine "überzähligen" Embryonen. Schon bei der Einführung der In-vitro-Fertilisation (IVF), also der Befruchtung außerhalb des Körpers, wurde vor dem Missbrauch der neuen Technik gewarnt. Kritiker fürchteten, dass Forscher Interesse sowohl an Eizellen als auch an den Embryonen haben könnten - und dass Frauen mit höheren Dosen gesundheitsgefährdender Hormone behandelt würden, damit sie zusätzlich Eizellen für die Forschung produzierten. Aus gutem Grund ist darum im deutschen Embryonenschutzgesetz nicht nur die Herstellung von Embryonen für Forschungszwecke, sondern auch die Eizellspende verboten.

Anders als bei einer Blut- oder einer Spermaspende ist die Gewinnung von Eizellen für die Frauen ein gesundheitsgefährdender Eingriff. Sowohl die Hormonstimulation als auch der operative Eingriff, bei dem die Eizellen entnommen werden, können zu (lebens-)gefährlichen Nebenwirkungen führen.

Welche Entwicklungen im Bereich der embryonalen Stammzellforschung und Fortpflanzungsmedizin möglich sind, wenn es keine rechtlichen Einschränkungen gibt, zeigt ein Blick in Länder wie Großbritannien, Spanien oder die USA. Dort existiert ein immer engeres Zusammenspiel zwischen der embryonalen Stammzellforschung und der Fortpflanzungsmedizin - mit der Möglichkeit, gezielt überzählige Embryonen oder Eizellen für die Forschung zu schaffen. Im Zuge dessen wird der Ruf nach "frischen" Embryonen immer lauter. Tiefgefrorene "überzählige" Embryonen seien zu alt und das Auftauen gefährde die Erfolge der embryonalen Stammzellforschung, lauten die Klagen.

Bei der Anhörung zur Stammzellforschung im Deutschen Bundestag berichtete die Professorin Regine Kollek, Mitglied im Deutschen Ethikrat, dass in Großbritannien und Spanien inzwischen sogenannte "Egg-sharing"-Programme existieren. Frauen erhalten hier einen erheblichen Preisnachlass auf ihre IVF-Behandlung - wenn sie dazu bereit sind, frische, zusätzlich erzeugte und in diesem Sinne "überzählige" Embryonen oder Eizellen aus ihrer eigenen IVF-Behandlung für die Stammzellenforschung abzugeben. Im "Egg-sharing"-Programm, das 2007 in Glasgow gestartet wurde, bekommen Frauen für die Eizellspende einen Preisnachlass von fast 2.000 Pfund. Inzwischen hat die britische Fortpflanzungsbehörde ihre Regeln so weit geändert, dass sogar die Eizellspende von Frauen für die Stammzellforschung zulässig ist, selbst wenn die Frau sich keiner künstlichen Befruchtung unterzieht. Auch in Spanien ist die Eizell- und Embryonenspende für die Forschung inzwischen erlaubt. Frauen erhalten dafür eine "Entschädigung" von rund 1.000 Euro.

Ist es denkbar, dass eine Verschiebung oder Streichung des Stichtages es ermöglichen soll, dass embryonale Stammzelllinien nach Deutschland importiert werden, die nicht aus tiefgefrorenen, sondern aus "frischen" und bezahlten Embryonen entwickelt wurden? Auszuschließen ist es jedenfalls nicht. Das derzeit gültige Stammzellgesetz schreibt vor, dass bloß embryonale Stammzellen aus "überzähligen" Embryonen importiert werden dürfen, dass die Einwilligung der Eltern oder nur der Frau zur Verwendung des Embryos für die Stammzellforschung vorliegen muss und dass keine direkte Bezahlung erfolgt sein darf.

Doch "überzählig" ist nicht gleichzusetzen mit zufällig übriggeblieben, sondern kann auch zusätzlich erzeugt sein für Forschungszwecke. Die Frage, ob die "Entschädigung" als Bezahlung im Sinne des Stammzellgesetzes angesehen oder wenigstens von der zuständigen Stammzellkommission nachgeprüft wird, darf bezweifelt werden.

Immer wieder wird von konservativer und christlicher Seite suggeriert, dass man auch gegen Abtreibung eintreten müsse, wenn man sich für den Schutz von Embryonen bei der Stammzellforschung einsetze. Diese Gleichsetzung ist falsch. Bei der Abtreibung geht es um eine schwierige Konfliktsituation einer Frau. Ihr eigenes zukünftiges Leben und das in ihr wachsende Leben des Embryos stehen dabei in direktem Konflikt. Der Bundestag hat 1995 nach langer und verantwortungsbewusster Diskussion eine Mehrheit für die Regelungen des § 218 gefunden. Die grundsätzliche Schutzwürdigkeit des Embryos steht dabei - so sieht es auch das Bundesverfassungsgericht - nicht zur Disposition. Anders ist es bei der Stammzellforschung. Dort handelt es sich um den fremdnützigen Zugriff auf einen Embryo durch Forscherinnen und Forscher. Sie wollen den Embryo für ihre Interessen benutzen - und die sind, wie man am Beispiel des Patentanspruchs des deutschen Stammzellforschers Oliver Brüstle sieht, durchaus auch wirtschaftlicher Natur.

Deshalb gilt es den vor rund fünf Jahren gefundenen Kompromiss in der Stammzellforschung zu bestätigen. Denn er macht Grundlagenforschung möglich, lässt aber keine weitere Vernichtung oder Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken zu. Seit der Verabschiedung dieses Kompromisses wurden keine überzeugenden neuen ethischen, rechtlichen oder wissenschaftlichen Argumente vorgelegt, die eine Änderung des Stammzellgesetzes ausreichend begründen. Heute wie damals gibt es keine Aussicht darauf, dass embryonale Stammzellen zur Therapie von Krankheiten eingesetzt werden können. Versuche mit adulten Stammzellen hingegen geben diesbezüglich durchaus Anlass zur Hoffnung.

Auch wenn einige Forscherinnen und Forscher immer wieder behaupten, dass die in Deutschland zugelassenen embryonalen Stammzellen kontaminiert und genetisch verändert seien und Grundlagenforschung damit unmöglich machten, entspricht dies nicht den derzeit bekannten wissenschaftlichen Tatsachen. Forschungsprojekte anderer Länder, die mit genau jenen Stammzelllinien arbeiten, die in Deutschland verfügbar sind, belegen dies. Bei einer weiteren Öffnung des Stammzellgesetzes besteht die Gefahr, dass Embryonen, die gezielt zu Forschungszwecken erzeugt und "verbraucht" wurden, auch in Deutschland verwendet werden. Damit würden Frauen nicht nur in europäischen Ländern immer stärker zur Lieferung des "Rohstoffs" Eizellen gedrängt. Und das ist inakzeptabel.

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7 Kommentare

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  • VB
    Victoria Brüschke

    Männer leiden angeblich unter Gebärneid. Die Fortpflanzungsfähigkeit von uns Frauen ist schon in der Geschichte ein Thema von Neid und Zugriffsmöglichkeit von Männern gewesen. Manche meinen, das das Konzept der Heirat sicher stellen sollte, das Männer über die Fortpflanzungsfähigkeit von Frauen bestimmen und Einfluß nehmen können. Und es ist bis heute ein erfolgreiches Konzept geblieben, denn viele Frauen wollen Kinder, verzichten jedoch darauf, weil der Mann nicht will. Und Männer mischen sich bis heute noch ein, wenn es um Abtreibung geht und damit ein vollkommen privates Thema von Frauen berührt. Wie schön ist es da, wenn Männer plötzlich Eizellen zur Hand haben und selbst Kinder entstehen lassen können. Das könnte das erste Mal in der menschlichen Geschichte sein, das Männer bestimmen, welche und wie viele Kinder geboren werden, ohne auf Frauen Druck auszuüben. Da aber wie Ira Diese schon erwähnt hat, die 'Entnahme' von Eizellen aus einer Frau eine schwierige Operation ist und die vorhergehende Hormonbehandlung nicht nur das Risiko einer erhöhten Krebswahrscheinlichkeit mit sich bringt, sondern noch weitere erhebliche Nebenwirkungen für die Frau hat, ist dieses Thema hochbrisant. Ich bin völlig einer Meinung mit Ira Diese und würde es begrüßen, wenn es in der ganzen Welt per Gesetz verboten wäre. Es gibt andere Wege an Stammzellen zu kommen, zum Beispiel aus adultem Gewebe, ohne das Frauen leiden müssen. Es ist auch leicht vorstellbar, wie Frauen aus ärmeren Verhältnissen und Regionen der Welt sich für Geld dieser Behandlung zu unterziehen und damit ausgebeutet werden könnten. Da das Sperma ein Abfallprodukt einer lustvollen Tätigkeit des Mannes ist, kann hier keinerlei Vergleich gezogen werden. Übrigens heißt es nur in der deutschen Sprache Samenspende. In anderen Ländern wird richtigerweise von Spermaspende gesprochen, denn Samen meint eine Frucht, die von sich aus die Fähigkeit hat, neues Leben hervorzubringen, wie ein Apfelkern. Und Sperma kann das nicht.

  • ID
    Ira Diese

    Forschung an menschlichen Eizellen sollte grundsätzlich und zwar international in einer Charta vereinbart verboten sein, so kommt es zu weiteren so abtrusen Experimenten, wie neulich berichtet von der Chimäre zwischen menschlicher Eizelle und Kuh.

    Die Fortpflanzungsmedizin müsste davon getrennt werden, wenn das rechtlich geht. Dort sollte nur nach neuestem Stand behandelt werden. Ich finde auch die Regelung mit verheiratet und 35 jahre überarbeitungsbedürftig für eine Kostenerstattung.

    Für die Samenspendenden Männer sei gesagt, dass man vom Wixen (sorry für die Feinfühligen)nicht sterben kann, wohl aber an der Hormonbehandlung für Eizellgewinnung!!!!

  • KS
    Klaus Samer

    Zu den Folgen der derzeitigen Gesetzgebung gehört es offensichtlich das der "saubere" Weg der Bundesdeutschen Forschung bedeutet das man Stammzellen wie auch immer sie gewonnen werden von Frauen aus dem Ausland akzeptiert und somit die Lösung der moralischen Probleme schlicht nach England und in die USA exportiert. Dies ist gleich im doppelten Sinne praktisch zum Einen muß man sich keine Gedanken über eigene gesetzliche Regelungen für Embryonen in Deutschland machen und zum anderen kann man sich prima darüber aufregen wie unmoralisch denn die Anderen handeln dies ist zutiefst bigott. Ich denke der Gesetzgeber in Deutschland sollte sich darüber Gedanken machen was denn mit den Embryonen in Deutschland geschehen soll und hier eine Lösung die alle Kritikpunkte beachtet findet anstatt das Problem an im Ausland angesiedelte Frauen zu delegieren.

  • AW
    Anja Weiß

    Biggi Bender und Priska Hinz wollen Frauen vor Ausbeutung durch die Forschung schützen. Leider haben sie sich nur mit einem Teil des Themas beschäftigt. In Abwehr der von ihnen geschilderten Auswüchse existiert in Deutschland ein Embryonenschutz-gesetz, das Zehntausende von Fruchtbarkeitsbehandlungen jedes Jahr massiv belastet: Statt wie medizinisch sinnvoll alle gewonnenen Eizellen bis zu 5 Tage im Labor zu kultivieren, muss in Deutschland am ersten Tag entschieden werden, welche Eizellen weiterwachsen dürfen. Damit kann vermieden werden, dass überzählige Embryonen entstehen mit all den ethischen und politischen Problemen, die der Artikel sehr gut schildert.

    Was niemand in die öffentliche Debatte trägt, ist folgendes: Der weltweit fast einzigartige Sonderweg im deutschen Embryonenschutzgesetz reduziert die Erfolgschancen für die Fruchtbarkeitsbehandlung erheblich. Er erhöht die Kosten, die zwar nur noch teilweise, aber doch von der Solidarversicherungen getragen werden und ? das finde ich am schlimmsten ? er erhöht völlig unnötigerweise die Zahl der Mehrlinge und in Folge Frühgeburten mit all deren Folgen. Die meisten Opfer dieser Regelung erfahren nie, dass sie existenziell von einem Gesetz betroffen sind, das in der Öffentlichkeit stets als abstrakter und rein ethischer Konflikt zwischen Forschung, Kirche und frauenfreundlicher Kritik behandelt wird.

    Ich habe vor fünf Jahren schon einen Leserbrief mit genau dem gleichen Inhalt geschrieben. Auch als Grünen-Wählerin würde ich mich freuen, wenn irgend jemand einmal die ?Nebenwirkungen? dieser moralisch so einwandfrei geführten Debatte recherchieren und in eine öffentliche Auseinandersetzung einbringen würde.

  • Z
    zwergennase

    Schöne neue Welt

  • N
    Nasevoll

    Wieder so ein typischer männerverachtender Frauenkommentar. Denn was die Samenspende angeht, also der Mann als Rohstoff -Lieferant, wird überhaupt nicht berücksichtigt.

     

    Und diese erniedrigende Funktion des Mannes wird von der Gesellschaft seit Jahrzehnten totgeschwiegen.

  • I
    Iris

    Ich bin prinzipiell für eine Lockerung der Vorschriften für die Stammzellforschung. Ich finde die Bedenken, dass Frauen aufgrund der Nachfrage nach frischen Stammzellen unter Druck geraten nicht nachvollziehbar. Es wäre doch jeder Frau freigestellt ob sie Ihre Eizellen spenden möchte, und dafür womöglich auch Geld bekommt, oder nicht. Ich persönlich hätte damit kein Problem. Vergleichbar damit ist aus meiner Sicht die Samenspende von Männern, und die ist schon seit Jahren erstens nichts ungewöhnliches und zweitens glaube ich nicht, dass sich die Männer genötigt fühlen ihr Sperma der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen zu müssen.