Bundestag erleichtert Forschung: Frische Zelllinien im Angebot

Den Stichtag um gut fünf Jahre nach hinten verschoben: Nach kontroverser Debatte erleichtert der Bundestag die embryonale Stammzellforschung.

Wie diese israelischen Kolleginnen arbeiten auch deutsche Wissenschaftler mit embryonalen Stammzellen. Das dürfte ihnen künftig leichter fallen. Bild: ap

BERLIN ap Der Bundestag hat die umstrittene Forschung mit embryonalen Stammzellen erleichtert. Die Parlamentarier entschieden am Freitag, den Stichtag zum Import solcher Zellen vom 1. Januar 2002 auf den 1. Mai 2007 zu verschieben. Damit haben deutsche Forscher nun Zugriff auf deutlich mehr und neuere Zelllinien.

Von 580 abgegebenen Stimmen entfielen in namentlicher Abstimmung 346 auf einen entsprechenden Antrag, 228 Parlamentarier stimmten dagegen. Die Anträge zur vollständigen Freigabe des Stichtags sowie zum Verbot der embryonalen Stammzellforschung waren zuvor mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Die Abgeordneten unterlagen keinem Fraktionszwang und votierten nach ihrem Gewissen. Für den Antrag zur Verschiebung des Stichtags hatten auch Kanzlerin Angela Merkel und Forschungsministerin Annette Schavan (beide CDU) geworben. Zu den Befürwortern zählte auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Die katholische Kirche lehnte den Vorstoß dagegen vehement ab.

Die embryonalen Stammzellen gelten als "Alleskönner" und könnten nach Ansicht mancher Wissenschaftler in der Zukunft einmal zur Heilung schwerer Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs genutzt werden. Umstritten ist diese Forschung, weil die Gewinnung solcher Zellen den Tod des Embryos bedeutet. Forscher hatten kritisiert, die noch verfügbaren Zelllinien seien inzwischen unbrauchbar. Sie forderten neue, und darauf ging das Parlament jetzt ein.

In der intensiv geführten, gut zweistündigen Bundestagsdebatte kamen 21 Parlamentarier zu Wort. Schavan verteidigte ihre Position: "Die Forschung gewinnt diese Stammzelllinien aus solchen Embryonen, bei denen die Entscheidung bereits getroffen ist, sie nicht für eine Schwangerschaft einzusetzen", sagte die CDU-Politikerin. Daher sei die Verlegung des Stichtags "um den schmalen Korridor" verantwortbar, auch wenn das "ethische Dilemma" nicht aufgelöst würde.

Schavan sagte, sie halte "die kleinstmögliche Veränderung des Gesetzes für eine Weiterentwicklung". Ihr gehe es um jene Forschergruppen, die dazu beitrügen, dass man dauerhaft zu einer Stammzellforschung komme, die ohne embryonale Stammzellen auskommt. Ähnlich argumentierte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Die Verschiebung sei die richtige Lösung, um notwendige Forschungen weiterbetreiben zu können, meinte sie.

Zu den Befürwortern der Beibehaltung des Stichtags zählte unter anderem die CDU-Politikerin Maria Böhmer. Bei einer Verschiebung sei der Leitgedanke gefährdet, dass keinerlei Anreize zur Zerstörung embryonaler Stammzellen gegeben werden dürften. "Wenn der Bedarf einmal der Grund für eine Verschiebung ist, dann kann es auch ein zweites und ein drittes Mal sein", sagte sie, "und dann sind wir auf einer schiefen Ebene."

FDP-Politikerin Ulrike Flach verteidigte ihre Initiative, den Stichtag völlig aufzugeben: "Unsere Messlatte ist neben der Menschenwürde die Ethik des Heilens." Dagegen plädierte unter anderen der CDU-Politiker Hubert Hüppe für ein völliges Verbot mit der Forschung embryonaler Stammzellen. Nach zehn Jahren Forschung gebe es keine einzige Therapie, so Hüppe. Das zeige: "Die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist nutzlos."

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