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Stahlmagnat Alexei MordaschowDer „gute Oligarch von nebenan“

Der Stahlmagnat Alexei Mordaschow galt einst als reichster Russe. Er soll den deutschen Journalisten Hubert Seipel mit 600.000 Euro geschmiert haben.

Alexei Mordashov am 16.06.2023 Foto: Pavel Bednyakov/SNA/imago

Moskau taz | Als Russlands Präsident Wladimir Putin am Abend seiner Kriegserklärung an die Ukraine im Februar 2022 knapp 40 Unternehmer zu sich in den Kreml bat, saß auch einer in der Runde, der sich seit jeher gern als „braver Junge“ bezeichnet. Der Stahlbaron Alexei Mordaschow tat auch dort, in der zweiten Stuhlreihe, das, was er gut kann: „brav“ sein.

Als Putin um „solidarische Zusammenarbeit mit der Regierung“ bat und die reichsten Männer Russlands mit in die Verantwortung für den Krieg nahm, ohne diesen je als Krieg zu bezeichnen, stand niemand von ihnen auf. Und niemand widersprach dem Mann, der sie groß werden ließ, in einem System, im dem Big Business ohne Kompromisse mit dem Kreml nicht funktioniert.

Mordaschow wunderte sich schnell, warum er nur vier Tage nach Kriegsbeginn auf den Sanktionslisten des Westens landete, warum die italienische Polizei seine Yacht beschlagnahmte und die europäischen Banken sein Geld einfroren. Er habe doch mit den Entscheidungen des Kremls nichts zu tun, sagte er und wirkte wieder wie der ordentliche Knabe von der Schulbank nebenan.

Doch der „Knabe“ schien längst etwas geahnt zu haben und startete eine Aktion, die als Umgehung von Sanktionen ausgelegt werden könnte, wie es nun die sogenannten Cyprus-Confidential-Enthüllungen von einem internationalen Konsortium von investigativen Journalisten nahelegen. Mordaschow übertrug Anteile an Marina Mordaschowa, seine dritte Ehefrau. Mordaschowa wird mittlerweile ebenfalls sanktioniert.

Stets hilfsbereit

Die Papiere legen noch anderes offen: So soll der preisgekrönte deutsche Journalist Hubert Seipel für seine – stets russlandfreundlichen – Bücher 600.000 Euro aus Russland kassiert haben. Bezahlt offenbar aus dem Firmengeflecht von Mordaschow.

Der Besitzer des Stahlriesen „Sewerstal“ in seiner Heimatstadt Tscherepowez, etwa 500 Kilometer nördlich von Moskau, galt gerade in Deutschland lange Zeit als der „der gute Oligarch von nebenan“. Er wirkte freundlich, ein wenig ungelenk, gab sich stets hilfsbereit.

Der 58-jährige, siebenfache Vater spricht fließend Deutsch, er saß ab 2000 in der deutsch-russischen Regierungskommission für strategische Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft und Finanzen. In der Coronakrise hat er den Tourismuskonzern TUI mit Kapitalspritzen vor der Insolvenz bewahrt. Mittels Briefkastengesellschaften auf den Britischen Jungferninseln verwaltete er sein Vermögen, das zeitweise auf 30 Milliarden Euro geschätzt wurde.

In der Schule wurde er „Schablone“ genannt, ein Bestnotenschüler, den die Lehrerinnen stets lobten. Später wurde er als „Provinz-Kapitalist“ verspottet. Er selbst sagt: „Ich kam ins Werk und bin bis heute geblieben.“ „Das Werk“ ist das einstige sowjetische Metallurgiekombinat, der Arbeitgeber von Tscherepowez schlechthin, bis heute. Hier haben seine Eltern als Stahlarbeiter geschuftet, der Vater hatte das Werk mit aufgebaut.

Unfair, aber nicht illegal

Mordaschow sollte ebenfalls hin, aber nicht an den Hochofen. Er studierte im damaligen Leningrad (heute Sankt Petersburg) und landete in der Finanzverwaltung. 1992 stieg er zum Finanzdirektor auf und war mit der Privatisierung der Aktiengesellschaft „Sewerstal“ betraut, wie das Kombinat dann hieß. Seitdem klebt das Etikett „Oligarch“ an ihm, wie es an jedem russischen Magnaten klebt, der sein Vermögen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gemacht hatte. Mit unfairen, aber nicht illegalen Methoden.

Auch Mordaschow, der Brave, war gerissen genug, aus den sich bietenden Möglichkeiten, die Gorbatschows Perestroika-Politik mit sich brachte, das für sich Beste herauszuholen. Nach und nach übernahm er die Mehrheitsanteile an „Sewerstal“. Mit seiner Holding investierte er bei der russischen Supermarktkette „Lenta“, dem Onlinehändler „Utkonos“ und in Bildungs- und Gesundheitsfirmen, 2007 war er bei TUI eingestiegen.

2008 gründete er mit „Surgutnefetegas“ und der Bank „Rossija“ des Putin-Vertrauten Juri Kowaltschuk die Nationale Mediengruppe, der etliche TV-Sender und Zeitungen gehören. Hier arbeiten die schrillsten Propagandisten des Landes.

Auch wenn Mordaschow wohl kaum Einfluss auf Putin hat, so ist die Verflechtung von Macht und Kapital so eng, dass die Milliardäre des Landes es nicht wagen, Putin öffentlich zu widersprechen. Denn verschachtelte Strukturen haben sie längst zu Geiseln des Systems gemacht, das sie selbst erschufen und von dem sie weiterhin profitieren.

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