Stadtrat über Gewalt unter Flüchtlingen: „Natürlich kommt es zu Konflikten“

Wer schon mal an einem Zeltlager teilgenommen hat, versteht die Lage in Sammelunterkünften, sagt Reiner Prölß. Er ist Stadtrat in Nürnberg.

Polizisten mit Helm stehen neben Menschen in Zivil, einer hat gebundene Hände

Die Polizei nimmt nach einer Schlägerei in einer Sammelunterkunft Personen fest. Foto: dpa

taz: Herr Prölß, im November kam es in Nürnberg zu einer Massenschlägerei in einer Notunterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, bei der elf Bewohner verletzt wurden. Was ist da passiert?

Reiner Prölß:Soweit wir recherchieren konnten, gab es eine Auseinandersetzung zwischen afghanischen und syrischen Jugendlichen. Den genauen Anlass wissen wir nicht, aber wir nehmen an, dass die Spannungen in der Notunterkunft sowohl den Voraussetzungen als auch den Bleibeperspektiven der Jugendlichen geschuldet sind, die sehr unterschiedlich sind.

Kommt so etwas oft vor?

Im vergangenen halben Jahr musste die Polizei zweimal eingreifen. Das ist bei 70 bis 80 Einrichtungen wirklich nicht viel.

Warum gibt es Streit in Sammelunterkünften?

Wenn Menschen, in diesem Fall junge Menschen, über längere Zeit auf sehr engem Raum zusammenleben müssen und zudem eine große Unsicherheit herrscht, wie es für sie weitergeht, kommt es natürlich zu Konflikten. Wer schon mal an einem größeren Zeltlager teilgenommen hat, der kennt den sogenannten Lagerkoller. Ethnische oder kulturelle Faktoren spielen dabei weniger eine Rolle als unterschiedliche Bildungs- und soziokulturelle Hintergründe. Die einen können sich verbal besser auseinandersetzen, andere langen schneller mal zu.

Der 62-Jährige ist Stadtrat für Jugend, Familie und Soziales in Nürnberg. Der Diplompädagoge und Sozialpädagoge hat langjährige ehrenamtliche Erfahrung mit Jugendarbeit, -sozialarbeit und -hilfe auf kommunaler, Landes- und Bundesebene.

Nürnberg hat über 500.000 Einwohner und 7.000 Flüchtlinge aufgenommen. Das ist an sich doch nicht viel

In den 90er Jahren waren die Zahlen ganz ähnlich, und eigentlich sollte eine Stadtgesellschaft unserer Größe in der Lage sein, weniger als zwei Prozent Flüchtlinge unterzubringen und zu integrieren. Das tun wir auch und das schaffen wir auch. Probleme haben wir mit dem schnellen Finden geeigneter Unterkünfte, wir haben zwar ein massives Programm aufgelegt, das Wohnungsflächen aktiviert, aber jedermann weiß, dass in einem halben Jahr kein Wohnraum entsteht.

Was muss jetzt getan werden, um gewaltsame Zusammenstöße zwischen Asylbewerbern zu verhindern?

Mithilfe der sehr aktiven Zivilgesellschaft hier versuchen wir, den Menschen in den Unterkünften eine Tagesstruktur zu geben. Zudem versuchen wir, ­Jugendliche möglichst schnell in die Schule zu bringen. Wir bieten eigene Sprachkurse an und nehmen Kinder und Jugendliche mit in die Jugendhäuser. Wichtig ist, nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen: Flüchtlinge sich selbst zu überlassen und sich dann zu wundern, dass Parallelgesellschaften entstehen.

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