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StadtgesprächNicht Gerechtigkeit, sondern Vergeltung

Bislang lässt der philippinische Präsident Duterte mutmaßliche Drogendealer und Süchtige einfach ermorden. Jetzt soll die Todesstrafe auch wieder offiziell werden

Ralf Leonhardaus Manila

Leistet Widerstand gegen die Todesstrafe!“, tönt es aus einem knisternden Megafon. Vor dem Südportal des Abgeordnetenhauses in der philippinischen Hauptstadt hat ein Grüppchen von Menschenrechtsaktivisten und Vertretern linker Parteien Aufstellung genommen. Ein paar Ordensschwestern stellen sich zaghaft an den Rand der Demonstration. Ein Polizist sorgt dafür, dass die dicken Autos der Abgeordneten ungehindert hinein- und herauskönnen.

„Wir stehen hier für Menschenrechte und Menschenwürde, während im Kongress über die Todesstrafe debattiert wird“, sagt Aaron Pedrosa von der Menschenrechtsorganisation Sanlakas: „Statt im Schnellverfahren über die Todesstrafe abzustimmen, sollten sie eine echte Diskussion führen!“

Die Wiedereinführung der 2006 abgeschafften Todesstrafe ist eines der zentralen Projekte von Präsident Rodrigo Duterte. Sie soll für mehr als 20 Delikte gelten, darunter Hochverrat, Brandstiftung, Vergewaltigung mit Todesfolge, Autodiebstahl, Kidnapping und natürlich Drogenhandel und selbst Drogenbesitz. Der Gesetzentwurf sieht wahlweise den Strang, die Giftspritze und das Erschießungskommando vor.

Mit seiner Kampagne gegen illegale Drogen macht Duterte seit seinem Amtsantritt am 30. Juni international, aber auch zu Hause Schlagzeilen. Täglich berichten die Medien über mutmaßliche Drogenhändler oder Süchtige, die von der Polizei erschossen wurden oder maskierten Killern auf Motorrädern zum Opfer fielen. Insgesamt bisher fast 6.000 Menschen.

Wenn der Staat legal töten dürfe, bedürfe es nicht mehr so vieler extralegaler Hinrichtungen, argumentieren manche Befürworter der Todesstrafe. Emmanuel Amistad von der NGO Task Force for Detainees, die sich für politische Gefangene einsetzt, hält das für puren Populismus: „Juristen sagen, so ein Prozess dauert mindestens zehn Jahre. Bis es zur ersten Hinrichtung kommt, ist Duterte längst nicht mehr im Amt“. Dazu kommt, dass laut einer Studie der renommierten Rechtsuniversität Ateneo 651 von 907 untersuchten Todeskandidaten in der Zeit von 1993 bis 2004 zu Unrecht verurteilt worden waren.

Wilson Fortaleza von der Arbeiterpartei Manggagawa ergreift das Megafon. „Die USA haben die Todesstrafe, Mexiko hat sie nicht. Es gibt keinen Hinweis, dass das einen Einfluss auf die Kriminalitätsrate hat.“ Das Gleiche gelte für den Stadtstaat Singapur mit seinen drastischen Gesetzen und die vergleichbare ehemalige britische Kronkolonie Hongkong, wo niemand hingerichtet wird. Für Duterte ist das kein Argument. Es gehe ihm nicht um Gerechtigkeit, sondern um Vergeltung.

Gleichzeitig mit der Einführung der Todesstrafe soll die Strafmündigkeit von derzeit 15 auf 9 Jahre abgesenkt werden. Minderjährige Straftäter seien immer unverfrorener und kriminelle Banden würden strafunmündige Kinder für ihre Verbrechen einsetzen. „Kinder sind immer Opfer“, widerspricht Rowena Legaspi von der Kinderrechtsorganisation CLRDC in Manila. Man solle die bestehenden Gesetze anwenden und jene bestrafen, die Kinder für ihre Zwecke missbrauchen.

Duterte, der sich zuletzt offen damit gerühmt hat, einst selbst als Bürgermeister der Millionenstadt Davao mutmaßliche Drogendealer gejagt und erschossen zu haben, erfreut sich hoher Popularität. Jüngste Umfragen bescheinigen ihm 80 Prozent Zustimmung. Vorgängerregierungen sind damit gescheitert, der Bevölkerung das nötige Sicherheitsgefühl zu geben. Duterte hatte schon in seinem Wahlkampf den Drogenkonsum zum größten Problem des Landes erklärt.

Drinnen im Kongressgebäude wird die Abstimmung nach längerer Debatte abgesagt. Obwohl Dutertes Fraktion dort eine satte Mehrheit hält, sei die erforderliche einfache Mehrheit nicht zustande gekommen, heißt es. Man müsse noch Überzeugungsarbeit leisten, erklärte der Parlamentssprecher. Draußen gehen alle davon aus, dass der Kongress, wenn er am 15. Januar wieder zusammentritt, das Projekt durchziehen wird.

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